Nach 30 Jahren sagt Sigrun Baumann dem Verkehrs- und Kulturverein „Servus“

Kulturpionierin und Tausendsasserin

Sie ist Kunst- und Kulturliebhaberin durch und durch. Und ebenso wie die Kultur liegt ihr auch ihre Heimatgemeinde Mitterfels am Herzen. Nicht zuletzt deshalb steht Sigrun Baumann seit 30 Jahren an der Spitze des Mitterfelser Verkehrs- und Kulturausschusses, ist sein Motor und seine Triebfeder und gilt als große Kulturpionierin im Landkreis. Zum Ende des Jahres will die 76-Jährige nun ihren Vorsitz aufgeben und dem Verein „Servus“ sagen – und zwar mit einem kulturellen Schmankerl. 

Wie einen Schatz hält Sigrun Baumann ein kleines Buch in der Hand. Als sie darin blättert, beginnt sie zu strahlen. Freude, aber auch Wehmut blitzen in ihren Augen auf. „Das war ein Geschenk von meinem Team zu meinem 25-jährigen Vereinsjubiläum“, erzählt sie. In dem Buch sind alle Veranstaltungen, Seminare und Projekte in chronologischer Reihenfolge mit Bildern dokumentiert, die der Mitterfelser Verkehrs- und Kulturverein unter ihrer Federführung auf die Beine gestellt hat. Zu jedem Bild, das sie in dem Buch entdeckt, hat sie eine Geschichte zu erzählen. Es ist ihr anzumerken, wie gerne sie in den alten Erinnerungen schwelgt. „Es war alles wirklich immer sehr viel Arbeit, aber es war auch eine wunderschöne Zeit.“

Die Weltreisende: Sigrun Baumann ist eine Frau, die viel gereist ist in ihrem Leben – und das auch immer noch gerne tut. 1968 lebte sie als junge Frau ein Jahr in den Vereinigten Staaten und auch danach zog es sie immer wieder über den Atlantik. Obwohl sie das Reisen liebt, ist sie immer wieder gerne nach Hause zurückgekehrt. So ganz hinaus in die große weite Welt wollte sie nie. Im Gegenteil, sie wollte die große weite Welt zu sich nach Hause, in ihre Heimatgemeinde, holen. Und das hat sie geschafft.

Viele Kontakte im Ausland

Durch ihre vielen Reisen hat Sigrun Baumann viele private Kontakte zu Musikern und Künstlern auf der ganzen Welt geknüpft. Als sie schließlich die Vorsitzende des Verkehrs- und Kulturvereins wurde und fast zeitgleich auch Leiterin des Verkehrsamtes, hat sie dieses Netzwerk genutzt. Und zwar so gut, dass Mitterfels vor allem in den 1990er Jahren kulturell auf der Weltkarte vertreten war. Sigi Baumann hat es sogar geschafft, eine Wanderausstellung ostbayerischer Künstler bis nach Wisconsin und Michigan zu bringen. Von 1998 bis 2000 waren die Werke in den Staaten zu sehen, manche Bilder hängen noch heute in den Museen dort.

Die Kulturmacherin: Sigrun Baumann ist vom kulturellen Leben in Mitterfels nicht wegzudenken. Sie ist eine Kulturpionierin, die Kunst und Musik für alle zugänglich machen wollte.

Ihr Name ist verbunden mit unzähligen Kunstausstellungen, Konzerten, Seminaren und Kulturveranstaltungen der verschiedensten Art. Sie hat es geschafft, dass die Welt in Mitterfels zu Hause war. Der weltberühmte Geiger Julian Rachlin, die Pianistin des Boston Symphonie Orchesters, Elizabeth Hagenah, das Israel String Quartett oder das Wiener Brahms-Trio – sie alle gaben sich ein Stelldichein in der kleinen Marktgemeinde. Und die Geschichten, die hinter diesen kulturellen Höhepunkten stecken, sind mindestens ebenso interessant. Denn oft hat Sigrun Baumann auch der Zufall in die Hände gespielt. „Ein bisserl Glück braucht man halt auch“, sagt sie und schmunzelt, als sie beginnt die Geschichte von ihr und der Pianistin Elizabeth Hagenah zu erzählen.

Die Musikerin habe gemeinsam mit ihrem Sohn Urlaub in Mitterfels gemacht. Eines Tages klingelt sie plötzlich an der Tür von Sigrun Baumann und fragt, ob sie auf ihrem Klavier ein bisschen üben dürfe. Denn die Pianistin fand nirgends einen Ort zum Proben. „Und da hat jemand zu ihr gesagt: Da musst du zur Sigi Baumann gehen, die hat so viele Instrumente und auch ein Klavier.“ Die Bilanz dieses Zusammentreffens: Die weltbekannte Pianistin erklärt sich bereit, ein Klavierseminar in Mitterfels zu geben. Und zwar nicht nur einmal, sondern gleich vier Mal hintereinander, von 1990 bis 1993. Aus diesem Klavierseminar heraus entwickelt sich dann auch das, was Sigrun Baumann als ihr persönliches Lieblingsprojekt bezeichnet: Die Musikakademie Tiji Unesco, die von 1994 bis 1998 in Mitterfels stattgefunden hat. Studenten und Professoren aus aller Welt sind zu diesem hochkarätigen Musikseminar gekommen. „Das hat mich wirklich unglaublich gefreut und auch stolz gemacht.“

Die Touristikerin: Sigrun Baumann hat sich in den vergangenen 30 Jahren aber nicht nur damit begnügt, die Welt nach Mitterfels zu holen. Es war ihr auch immer ein Anliegen Mitterfels nach außen zu repräsentieren und Gäste in den Luftkurort zu bringen. Gerne erinnert sie sich an die Werbefahrten mit der Mitterfelser Blaskapelle nach Berlin-Spandau im Jahr 1989, als die Mauer noch stand. Weitere Fahrten nach Kiel und Köln folgten in den kommenden Jahren.

Schnapserl und Blasmusik

Für die Gäste in Mitterfels hat sie immer ein paar Schmankerl bereitgehalten, damit ihnen der Luftkurort auch in guter Erinnerung bleibt. So fand jeden Mittwoch im Mitterfelser Burghof ein Standkonzert der Blaskapelle statt. „Da haben wir den Gästen dann immer ein Schnapserl ausgeschenkt“, erzählt sie. An Heiligabend wurde immer eine besondere Gästebetreuung organisiert, an Ostern gab es großes Ostereiersuchen im Burghof, es wurden Reiberdatschifeste veranstaltet und noch vieles mehr. „Die Leute sollten ja schließlich wieder zu uns kommen.“ Auch immer ein Erfolg war das große Garten- und Kulturfestival in der Burganlage, das zum Teil 5000 Besucher nach Mitterfels lockte. „Ich kann mich mittlerweile schon gar nicht mehr an alles erinnern, was wir gemacht haben“, sagt die 76-Jährige, während sie durch ihr Buch blättert. „Aber ohne mein Team wäre das alles nicht möglich gewesen.“ Sie habe immer viele helfende Hände um sich gehabt. Vor allem Petra Stompe und Ursel Ingelfinger, zwei ebenfalls rührige Mitglieder des Vereins, seien ihr in den vergangenen Jahren eine große Hilfe gewesen. „Ohne die hätte ich vieles nicht geschafft.“

Ein Herz für die Gemeinde

Sigrun Baumann ist ein hartnäckiger Mensch, eine kreative Macherin, die es nicht scheut, auch mal anzuecken, wenn sie um das kämpft, was ihr am Herzen liegt. Und das ist ihre Heimatgemeinde und das kulturelle Leben. Jetzt, da es um ihren Abschied vom Verein geht, wird die 76-Jährige wehmütig. Und es schwingt auch ein bisschen Resignation mit, wenn sie von den vergangenen fünf Jahren erzählt. Es sei vieles schwieriger geworden, die Zeiten hätten sich einfach geändert. Aber Sigrun Baumann wäre nicht Sigrun Baumann, wenn sie ihre Ära im Verein nicht noch mit einem absoluten kulturellen Schmankerl beenden würde: Am Sonntag, 24. November, wird deshalb der bekannte Barockmusiker Christian Brembeck, ab 17 Uhr gemeinsam mit seiner Frau Julia Brembeck-Adler ein Konzert in der evangelisch-lutherischen Heilig-Geist-Kirche in Mitterfels geben.

Bericht und Bild : Verena Lehner (SR-Tagblatt, 22.11.2019)