In und um Mitterfels herum kennt ihn jeder, den „Fischer Veri“. Sein Tanzlokal war legendär. Ebenso wie die Geschichte, wie er überhaupt hinter den Tresen eines Wirtshauses kam
Von Verena Lehner Mitterfels. Es herrscht reges Treiben an diesem Mittwochmorgen im Gasthaus „Fischer Veri“ in Mitterfels. Eine amerikanische Reisegruppe ist zu Gast in der Pension und hat gerade ihr Frühstück beendet. Im Trubel der Aufbruchsstimmung ist er erst gar nicht zu sehen, so unscheinbar sitzt er an einem Tisch in der Ecke der Gaststube, der „Fischer Veri“, der dem Wirtshaus seinen Namen gegeben und zu dem gemacht hat, was es ist. Der 85-Jährige frühstückt gerade, so wie er es immer tut um diese Zeit. In der Gaststube, in seinem Wirtshaus. Er blickt auf und schaut auf die Uhr. „Jessas, der Termin mit der Zeitung.“ Er lacht und steht auf. „Dann schau ma amoi“, sagt er und geht mit dem Zeitungsbesuch ins Nebenzimmer. Schnell scheint ihn nichts aus der Ruhe zu bringen, den „Fischer Veri“. Und das muss wohl auch so sein, wenn man, so wie er, über 60 Jahre seines Lebens in einem Wirtshaus verbracht hat.
Der „Fischer Veri“ heißt eigentlich Franz-Xaver Fischer. Nennen tut ihn so aber eigentlich keiner. Die Einheimischen sowieso nicht, und auch die Auswärtigen nicht. Der „Fischer Veri“ ist bekannt im Landkreis. Denn wer in den 1970ern am Wochenende richtig zum Tanzen gehen wollte, der fuhr nach Mitterfels. Im großen Saal des Wirtshauses war jeden Samstagabend großer Tanzboden und am Sonntagnachmittag für die jüngere Generation „Beat Party“. „Mei, das waren Zeiten“, sagt Fischer und beginnt zu erzählen, wie es damals war. Als er jeden Samstag oft bis um drei, vier Uhr in der Früh im Saal gestanden ist. Wie es Sonntag gleich weiterging und er am frühen Montagmorgen aufstehen musste, um ein Schwein zum Schlachten zu holen. Denn neben dem Wirtshaus mitsamt Tanzsaal gab es auch noch lange Zeit eine hauseigene Metzgerei beim „Fischer Veri“.
Einen Ruhetag gab es damals nicht. Von Urlaub ganz zu schweigen. „Das war halt einfach so. Es war immer offen, und wir haben immer gearbeitet. In einem Wirtshaus darfst du keine Stunden zählen.“ Franz-Xaver Fischer erzählt von diesen arbeitsreichen Jahren mit der Selbstverständlichkeit einer Generation, die es nicht anders kennt. Für die ein arbeitsreiches Leben kein schlechtes war, und die immer zufrieden war mit dem, was sie hat, und wenig hadert wegen dem, was sie nicht hat.
Dabei hätte er auch ein anderes Leben haben können. Nach seiner Metzgerlehre bei einer Straubinger Metzgerei, führte ihn sein Weg bis nach Wiesbaden. „Ich wollte einfach mal etwas anderes sehen und woanders hin.“ Fast vier Jahre blieb er dort in einem Metzgerbetrieb, machte dazwischen noch seinen Meister. Und beinahe wäre er auch dortgeblieben. „Weil es mir dort wirklich sehr gut gefallen hat.“
Doch es kam anders. Ein Bitt-Brief seines ehemaligen Meisters in Straubing erreichte ihn in Wiesbaden. Der brauchte einen neuen ersten Burschen, so hieß damals der erste Metzger in einem Betrieb. „Ich hab den ersten Brief einfach ignoriert“, erinnert sich Fischer. Doch dann kam noch einer, und er kam ins Grübeln. Er musste sich entscheiden. „Ich wusste, wenn ich jetzt nicht gehe, gehe ich gar nimma.“ Und so ist er gegangen. Zurück nach Straubing. Warum er das gemacht hat, kann er heute immer noch nicht genau sagen. Am Heimweh lag es nicht. Denn das kennt der „Fischer Veri“ nicht.
Und obwohl er sich überall zu Hause fühlen würde, lebt er seit mittlerweile über 60 Jahren in Mitterfels, steht in seinem Wirtshaus und zapft auch mit seinen 85 Jahren noch Bier und hilft hinterm Tresen aus, wenn es nötig ist. Dass er überhaupt hinter diesem Tresen steht, ist im Grunde einem großen Zufall zu verdanken. Franz-Xaver Fischer erinnert sich noch gut an den Tag, als er zum ersten Mal in diesem Wirtshaus saß, in dem er sein Leben verbringen sollte. Es war ein schneereicher Wintertag im Januar Anfang der 1960er-Jahre. Da wollte die Schwester seines Chefs eine der Englischen Fräulein in Mitterfels besuchen.
Die hatten damals noch ihr Kloster hier. „Weil es aber so geschneit hat, hat sie sich selber nicht fahren trauen und hat mich gefragt, ob ich sie chauffieren würde.“ Das hat er dann gemacht. Er wollte aber nicht im kalten Auto warten, bis der Plausch mit der Klosterschwester beendet war. „Also ging ich ins nächste Wirtshaus“, sagt Fischer und lacht. Das hieß damals noch Baumgartner und bestand nur aus einer ganz kleinen Gaststube. „Ich hab mich auf eine Halbe hing’setzt und da habe ich dann meine Frau zum ersten Mal gesehen.“ Seine Frau war die Wirtstochter, Christa Baumgartner, und hat ihn damals bedient. Wenig später trafen sie sich beim Tanzen. „Und so hat das alles angefangen.“ 1964 heiraten Franz-Xaver Fischer und seine Christa. Fischer gibt seinen Metzgerberuf in Straubing auf und steigt komplett in den Betrieb seiner Frau ein. Ob er damals gehadert hat damit? „Nein, überhaupt nicht. Für mich war klar. Ich arbeite hier jetzt und ich will auch was daraus machen.“
Bereits knapp fünf Jahre später übernimmt das junge Paar den Betrieb. 1964 hatte er das Grundstück nebenan gekauft, auf dem das Gebäude eines ehemaligen Textilherstellers stand. Auf diesem Gelände entstand einige Jahre später der Saal, der den „Fischer Veri“ weit über Mitterfels hinaus bekannt machen sollte. Franz-Xaver Fischer war schon immer ein Wirt mit Weitblick. Er ist jemand, der auch einmal etwas wagt und die gewisse Portion Gelassenheit mitbringt, die man braucht, wenn etwas schiefgehen sollte. „Das mit dem Saal war ein Wagnis. Das war absolutes Neuland für uns mit den Tanzveranstaltungen“, sagt Fischer. Er weiß auch nicht, ob er es sich heute nochmals trauen würde. Aber damals hat er sich getraut und so wurde der Saal mit der Galerie, in dem 350 Menschen Platz finden, 1970 eröffnet. Auch ein Name war schnell gefunden: „Beim Fischer Veri“. Die Jahre gingen dahin und die Zeit der Tanzböden neigte sich dem Ende zu. „Irgendwann wurde es weniger, das war so Anfang der 1980er“, erzählt Fischer. Er musste sich etwas überlegen. Das nahe liegendste wäre die Eröffnung einer Disco gewesen. „Aber das kam durch unsere Lage mitten im Dorf einfach nicht infrage. Dann habe ich beschlossen, dass wir Fremdenzimmer anbieten.“ Und wieder wurde beim Fischer gebaut.
Auf den Saal wurde aufgestockt, dort entstanden die Gästezimmer. Die gibt es heute noch, wurden immer wieder modernisiert. „Gebaut hab ich wirklich viel“, sagt Fischer und muss darüber ein bisschen lachen. Die Gaststube wurde vergrößert und um ein Nebenzimmer erweitert, und auch ein Austragshaus für sich und seine Frau hat er gebaut. Ob er stolz ist, auf das, was er geschaffen hat? „Mei, ich hab halt immer geschaut, dass was weitergeht mitm Wirtshaus“, sagt er bescheiden. Aber ohne die Familie im Hintergrund wäre das alles nicht gegangen, wie er sagt. Seine Frau, die er liebevoll „die Chefin“ nennt, sei immer hinter ihm gestanden, auch wenn sie von so mancher Entscheidung nicht hundertprozentig überzeugt war. Was ihn freut, ist, dass es weitergeht und sein ältester Sohn Franz-Xaver gemeinsam mit seiner Frau Lydia den Betrieb mit ebenso viel Herzblut weiterführt. Und auch wenn ihn im Grunde ein Zufall zum Wirt gemacht hat, sagt er: „Ich war es mit Leib und Seele und hab’s immer gern gemacht. Sonst wäre ich heute nimma jeden Tag da.“
Bericht und Bilder (SR-Tagblatt, 18.10.24, ver. lehner)