Der ewige Gärtner
Die Gärtnerei ist sein Leben: Georg Hiendl beim Ansäen von Zinnien in einem seiner Gewächshäuser. Foto: Verena Lehner

Der ewige Gärtner

Mit fast 90 Jahren ist Georg Hiendl wohl einer der Dienstältesten seiner Zunft in Bayern. Jeden Tag steht er in seinen Gewächshäusern und denkt noch lange nicht ans Aufhören

Seine Silhouette ist unverwechselbar. Schlank, groß gewachsen und immer mit breitkrempigem Hut auf dem Kopf, ist Georg Hiendl bereits von Weitem zu erkennen, wie er durch die Beet-Reihen des Gewächshauses geht. Obwohl er fast 90 Jahre alt ist, vergeht kein Tag, an dem er nicht spätestens ab 7 Uhr morgens in seiner Gärtnerei in Mitterfels steht. Und wenn es nach ihm ginge, dann würde er das auch noch die nächsten 90 Jahre tun. Denn die Gärtnerei ist sein Leben. Sie hat ihn geprägt und zu dem gemacht, was er ist. Georg Hiendl ist nicht nur leidenschaftlicher Gärtner und Florist. Er ist ein Menschenfreund, den der Kontakt zu seinen Kunden auch nach über 70 Jahren noch aufblühen lässt. Und er ist ein Mann, den die jahrzehntelange, harte Arbeit im Familienbetrieb geerdet, aber nie verbittert hat. Der immer offen für Neues war und keinen Stillstand kennt.

Auch nicht mit 90 Jahren. Es ist 9 Uhr morgens an einem Dienstag. Die ersten Kunden schlendern bereits durch die Gewächshäuser der Gärtnerei Hiendl. Die Hochsaison und damit die arbeitsreichste Zeit für die Gärtnerei hat begonnen. Doch für Georg Hiendl ist das trotz aller Mühen immer noch die schönste Zeit. Er steht vor kleinen, flachen Aussaatkisten, die mit Erde gefüllt sind, und lässt mit ruhiger, geübter Hand kleine Samen aus einer Tüte auf die Erde rieseln. Er sät gerade Zinnien. Etwa zweieinhalb Monate wird es dauern, bis sie für seine Kunden im Gewächshaus bereitstehen werden. Bis dahin wird er sie jeden Tag gießen, sie hegen und pflegen.

Alles begann mit Gemüse und Saatgut

„Das ist doch einfach etwas Wunderbares“, sagt er. „Zu sehen, wie aus einem so kleinen Samen etwas wächst und schließlich zu einer schönen Blume wird. Da blüht man ja selber gleich mit auf“, sagt Georg Hiendl, während er seinen Blick über die Pflanzenreihen des Gewächshauses schweifen lässt. Eine große Zufriedenheit, aber auch ein bisschen Stolz liegen in diesem Blick. Nur er alleine weiß noch, wie klein die Gärtnerei begonnen hat. Wie hart die Anfänge waren. Wie schwer die Arbeit war. Seine Eltern hatten einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb. Irgendwann begannen sie, die Winterfenster, die im Frühjahr abgebaut wurden, auf den Wiesen unterhalb des Wohnhauses zu Treibhauskästen umzufunktionieren. „Da haben sie dann Salat angebaut und verkauft und gesehen, dass das von den Leuten angenommen wird.“ Parallel zum Gemüseanbau wurde auch eine Samenhandlung aufgebaut. „So haben wir angefangen. Ohne Strom. Ohne fließendes Wasser. Alles reine Handarbeit.“

Als Georg Hiendl im Dezember 1934 geboren wird, ist der Betrieb bereits angelaufen. Und so ist der Weg für den kleinen Georg vorgegeben. Doch die Liebe zu seinem Beruf kommt erst später. Als seine Eltern zu ihm sagen, dass er eine Gärtner-Lehre machen muss, ist er anfangs nicht so begeistert. „Ich habe ja gesehen, wie hart die Gärtnerarbeit ist. Und als ich jung war, hätte mich eine Elektrikerlehre mehr interessiert.“ Aber aus Georg Hiendl wird kein Elektriker. Mit 15 Jahren kommt er nach Straubing zur Ausbildung in eine Gärtnerei. Eine harte Zeit. Noch immer erinnert er sich daran, wie er tagelang kopfüber Salatpflänzchen aus den Brettchen pikiert hat. Heute unvorstellbar. „Aber wir haben uns nicht beklagt, das war damals einfach so. Wir mussten viel und hart arbeiten, im Lehrbetrieb und auch zu Hause.“

Der Gemüseanbau war wichtig für die Menschen

Georg Hiendl hat als Kind den Zweiten Weltkrieg miterlebt, danach die entbehrungsreiche Nachkriegszeit. Der Gemüseanbau der Gärtnerei Hiendl war wichtig für die Versorgung der Menschen in und um Mitterfels. „Es gab ja sonst nirgends etwas. Entweder du hast selber etwas im Garten angebaut oder das Gemüse vom Gärtner geholt.“ Und so kam es auch vor, dass das Gemüse knapp wurde. Einmal musste Hiendl mit dem Motorrad ausrücken und von einem Hof in Reibersdorf Gemüse holen. Noch heute muss er lachen, wenn er daran denkt. „Ich hatte vorne und hinten einen Sack mit Gemüse auf dem Motorrad und noch einen vollen Rucksack auf dem Rücken. Und weil ich keinen Platz mehr hatte, habe ich mir die restlichen Zucchini in die Motorradhose gestopft.“ Die Frauen, die in Mitterfels vor dem kleinen Laden um das Gemüse angestanden waren, mussten hellauf lachen, als er angefahren kam. Einige Jahre später, in den 1950er Jahren, begann dann das Geschäft mit den Blumen. Georg Hiendl hatte schon immer eine Leidenschaft für alles, was blüht. Bereits als Kind hat es ihm gefallen, wenn die Mutter immer eine Vase mit Blumen auf den Mittagstisch gestellt hat. Und so macht er 1978 schließlich auch noch seine Floristen-Prüfung.

Um immer auf dem neuesten Stand zu sein und die aktuellen Trends nicht zu verpassen, besucht er unzählige Kurse und Fortbildungen. Auch keine Bundes- oder Landesgartenschau lässt er aus. Georg Hiendl steht jeden Morgen um fünf Uhr auf Trotz seiner harten Arbeit hat Georg Hiendl sein Leben genossen. Er reiste in ferne Länder, hat sich als junger Mann gerne die ein oder andere Nacht um die Ohren geschlagen und geht auch heute noch abends lieber ins Wirtshaus als daheim vor dem Fernseher zu sitzen. Doch am liebsten ist er in seiner Gärtnerei.

Noch immer steht er jeden Morgen um fünf Uhr auf, macht seine Übungen für Knie und Rücken und geht nach dem Frühstück in die Gewächshäuser. Dort steht er dann und strahlt eine unglaubliche Ruhe aus in jedem Handgriff, den er tut. Immer wieder begrüßen ihn Kunden oder gehen auf einen Ratsch zu ihm hin. Denn Georg Hiendl ist bekannt – nicht nur in Mitterfels. Und es ist ihm anzumerken, wie sehr er das genießt. Sein zufriedenes Lächeln und die Freude in seinem Gesicht ist auch noch unter dem Hut mit seiner großen Krempe zu erkennen.


Stationen eines Gärtner-Lebens

Georg Hiendl ist Gärtnermeister für Gemüse-, Blumen- und Zierpflanzenanbau und Florist. Mit 15 Jahren, im Jahr 1949 , kam er zur Lehre in die Gärtnerei Bogner-Schmidbauer nach Straubing. 1952 legt er seine Gesellenprüfung ab und arbeitete weiter in der Gärtnerei in Straubing, bis er 1958 in den elterlichen Betrieb zurückkehrte. Doch dort blieb er nicht lange. Er ging nach Schwaben, um in Lindau-Schlachters seinen Meister zu machen. 1959 , mit 24 Jahren, legte er seine Meisterprüfung ab – als Jüngster seiner Meisterklasse.

Zurück in Mitterfels trägt er mit dazu bei, dass der elterliche Betrieb immer weiter wächst. Nach und nach entstehen immer weitere Gewächshäuser. Am 1. Februar 1965 übernimmt er schließlich den Betrieb von Vater Georg. 1967 heiratet er, ein Jahr später kommt Tochter Siegrun zur Welt, sieben Jahre später Tochter Evi. Im Jahr 1978 macht er auch noch seine Floristen-Prüfung und ist damals einer der wenigen in der Region, der Floristen ausbildet. Hiendl gilt als engagierter Ausbilder und ist jahrelang Mitglied im Prüfungsausschuss für Zierpflanzenbau der Regierung Niederbayern. Die Liebe zum Gärtnern und zur Floristik hat er an seine Töchter weitergegeben. Als klar wird, dass auch sie in seine Fußstapfen treten, hat Georg Hiendl vor allem ein Ziel: Seinen Betrieb auf gesunde Beine zu stellen, um seinen Töchtern eine Zukunft zu geben. Und auch das ist ihm gelungen: Gärtnermeisterin Siegrun Hiendl und Floristikmeisterin Evi Hiendl führen gemeinsam den Familienbetrieb weiter. – ver –

Von Verena Lehner(SR-Tagblatt, 20.4.24)

 

 

 

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