Mit Kehrbesen und Kelle - Freiwillige helfen, die Hien-Sölde zu sanieren
Die Hien-Sölde: erstes Anwesen in der Gegend von Mitterfels
"Jetzt bringen wir den Männern die Lampe, auf dass ihnen ein Licht aufgehe", scherzt Maria Birkeneder mit Elisabeth Vogl und greift beherzt nach dem großen schwarzen Strahler. Vogl, Archäologin und Kunsthistorikerin, folgt der Vorsitzenden des Freundeskreises HienSölde mit einer Kabeltrommel. Die beiden Frauen haben den Strom des Nachbarn angezapft - mit Erlaubnis, natürlich, um die Arbeiten im ältesten Mitterfelser Gebäude auszuleuchten. "Mein Vater hat schon als Kind zu mir gesagt, ich bin die Einzige, die man im Schuppen brauchen kann", erklärt Birkeneder ihre praktische Art und stellt die Lampe in einen wenige Quadratmeter großen Raum, in dem zwei Männer Schutt vom Boden schaufeln.
Seit 1434 gibt es die Hien-Sölde, das erste landwirtschaftliche Anwesen im Bereich des heutigen Mitterfels und, zumindest das ist dokumentiert, der älteste weitgehend erhaltene Blockbau in ganz Niederbayern. "Im Internet findet man unter dem Stichwort „ältester Blockbau der Welt“ eine Kapelle im Norden Skandinaviens, die dem Heiligen Hendrik geweiht ist. Sie wird auf Anfang 1400 datiert. Davon ist die Hien-Sölde ja nicht weit weg", konstatiert Maria Birkeneder. Seit April arbeitet sie mit Mitgliedern des "Freundeskreises Historische Hien-Sölde Mitterfels" und zusammen mit Archäologen an der Sanierung, unterstützt von interessierten freiwilligen Helfern wie Steffi.
„In diesen Aufschüttungen findet man eigentlich ziemlich viel"
"Ich wollte eigentlich Archäologie studieren", erklärt die Abiturientin ihr Interesse an den Arbeiten im alten Gemäuer. Inzwischen sei sie zwar davon abgekommen, doch das Faible fürs Alte und Altertümliche ist geblieben.
Und so schaufelt die junge Frau aus der Gemeinde Haibach das gelockerte Erdreich ganz vorsichtig mit einer Kelle in einen bereitstehenden Eimer. Die Erde lässt sie durch die Hand rieseln, um nur ja kein Fundstück zu übersehen.
"In diesen Aufschüttungen findet man eigentlich ziemlich viel", sagt Archäologin Vogl, zugleich Vorstandsmitglied im Förderverein. Sie arbeitet ehrenamtlich in ihrer Freizeit in der Hien-Sölde und unterstützt mit ihrem fachlichen Wissen Kreisarchäologen Ludwig Husty, der an diesem Tag auch vor Ort ist. Mit einer großen Schaufel ist er in dem anderen Zimmer damit beschäftigt, die gröbste obere Schuttschicht zu entfernen. "Das hier war früher Außenhereich", erklärt Husty und hofft daher auf Abfälle und irgend welche Gegenstände, die im Lauf der Zeit hinter dem Haus im Boden versunken sind.
Im anderen Raum erklärt Vogl gerade den Helfern, wie sie bei der Arbeit zu Werke gehen müssen. Vorsichtig, lautet die oberste Maxime. Und so wird Dr. Heidi Güldenhaupt sofort zurückgepfiffen, als sie auf den bereits freigelegten Estrich treten will. Vogl zeigt, was schon gefunden wurde. Etwa ein Weihwasserkessel, ein Gerüstriegel und ziemlich viele Scherbenstücke, glasiert ("dann sind sie zumeist aus dem 17. oder 18. Jahrhundert") oder unglasiert ("die könnten tatsächlich aus der Entstehungszeit des Hauses stammen").
Erste Erkenntnisse: das Bodenniveau war früher tiefer.
Der zehnjährige Matthias Kieser macht sich kurz darauf mit seiner Mutter Elfriede in einer Ecke des Raumes ans Werk und lockert wie neben ihm Steffi das Erdreich mit einem Besen auf. Schon nach wenigen Minuten freut sich der Grundschüler aus Hunderdorf. Er hat einen Nagel gefunden. "Sehr schön", lobt Elisabeth Vogl und besieht sich das Fundstück näher. "Für uns ist jeder Fund gleich wichtig", erklärt sie und legt den Nagel zu den anderen Fundsachen in einen Eimer. Auch sie kniet sich wieder auf den Boden, die Knie auf eine Styroporplatte gestützt, und fährt mit den Arbeiten zur Bodenfreilegung fort. "Ich bin ja selber immer so gespannt, was wir finden", lacht die 51-Jährige .
Herausgefunden haben sie und die Helfer beispielsweise durch die Entdeckung des Estrichs bereits, dass das Bodenniveau früher offenbar deutlich tiefer war als heute. Ein glücklicher Zufallstreffer. Realschüler haben bei einem der immer wieder durchgeführten Schulprojekte beim Graben geholfen, und einer Schülerin fiel auf, dass unter der Erde offenbar ein riesiger Stein lag. "Kein Stein, das war der Estrich, festgestampft und ziemlich hart", erklärt Vogl. Nun stehe ziemlich sicher fest, dass das Bodenniveau an dieser Stelle niedriger lag als im 15. Jahrhundert. "Die Leute haben damals ja nicht in die Luft hineingebaut."
Viele wollen immer noch, dass das "alte Zeug" weggerissen wird
Schülern und der Bevölkerung die Wichtigkeit der Arbeit in der Hien-Sölde nahezubringen, ist ein Ziel des Freundeskreises. "Viele sind leider immer noch der Ansicht, dass das alte Zeug besser weggerissen gehört", bedauert Birkeneder. Wenn man aber dann erzähle, dass das die erste Ansiedlung hier in der Gegend gewesen sei, wenn man die heimatgeschichtliche Komponente ins Spiel bringe, interessierten sich schon mehr für die Hien-Sölde.
Mit den Schulprojekten schließt sich ein Kreis, der in der Vergangenheit beginnt. Denn das einzige Mal, als die Hien-Sölde für kurze Zeit nicht landwirtschaftlich genutzt wurde, diente sie als erstes Schulgebäude in Mitterfels. Volker Diergardt, der sich beim Förderverein vordringlich um die Finanzen kümmert, kennt die Historie: "Nach der Säkularisation 1806, als die Pfarrgemeinde von Kreuzkirchen nach Mitterfels verlegt worden ist, kam auch die Schule hierher." Die Tochter es damaligen Besitzers der Hien-Sölde war Lehrerin, so sei der Gedanke an eine Schule wohl entstanden. 30 Jahre lang wurden in dem alten Gemäuer die Mitterfelser Kinder unterrichtet.
So bald wie möglich soll die Hien-Sölde im Übrigen auch jetzt wieder eine öffentliche Funktion übernehmen. Angedacht sind ein Kleine-Welt-Laden sowie ein Begegnungsraum in der Hien-Sölde. "Und auch die Tourist-Information könnte hier hinein", sagt Birkeneder. Die zentrale Lage und der geschichtliche Hintergrund prädestinierten das Haus in der Burgstraße geradezu dafür.
,, Vielleicht finden wir ja noch einen Schatz"
Zuvor sind allerdings noch viele Arbeitsstunden notwendig - und Geld. 600.000 Euro sind für die Renovierungsarbeiten veranschlagt, 60 Prozent davon werden wohl bezuschusst. "Leider haben wir momentan keinen Zugriff auf die zugesagten Mittel, weil ein Gutachten des Landesamtes für Denkmalschutz aussteht", bedauert Birkeneder. Aufgrund einer längeren Erkrankung des zuständigen Fachmanns sei es zu Verzögerungen gekommen. "Wir können momentan nur selber Eigenleistungen erbringen, aber keine Aufträge erteilen, für die man Geld braucht." "Vielleicht finden wir ja noch einen Schatz", spekuliert Pfarrer Georg Hartlehnert, der ebenfalls auf einen Sprung vorbeigeschaut hat.
Bis es so weit ist, sind weitere Helfer wie Steffi und Matthias in den kommenden Wochen stets willkommen. Birkeneder: "Es geht nicht darum, dass jemand rund um die Uhr arbeiten kann. Wir suchen Helfer, die stundenweise Zeit haben." Vielleicht hat dann der eine oder andere Glück wie Matthias, der gleich in der ersten halben Stunde eine uriglasierte Keramikscherbe findet. "Das ist was Altes", freut· sich Archäologin Vogl. Der bis dato spektakulärste Fund wurde übrigens auf dem Dachboden aus neuerer Zeit gemacht - eine mumifizierte Katze.
• Info
Wer sich für die Arbeiten in der Hien-Sölde interessiert und helfen möchte oder Mitglied beim Freundeskreis werden will, kann sich unter Telefon 09961/6555 bei -Maria Birkeneder melden.
Bericht und Bilder : Straubinger Tagblatt 18.6.2010 (tf)