Vom Liquidationsplan zum Luftbild - Ein Streifzug durch 200 Jahre Bayerische Vermessungsgeschichte
In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wurde das Königreich Bayern genau vermessen und der erste Grundsteuerkataster wurde erstellt. Damals galt Bayern als das am besten vermessene Land der Erde. Wolfgang Mitsam, Leiter des Vermessungsamtes Straubing, gab einen historischen Rückblick auf 200 Jahre bayerische Vermessungsgeschichte, ausgehend von der Arbeitsweise der damaligen Zeit bis zu den aktuellen Entwicklungen des digitalen Zeitalters. Veranstalter des Vortrags in der Aula der Volksschule Mitterfels war der Arbeitskreis Heimatgeschichte Mitterfels, der mit einer Vortragsreihe einen Beitrag zum 200-jährigen Jubiläum der Pfarrei und Gemeinde Mitterfels leistet.
Mithilfe von historischen Unterlagen aus dem Archiv des Vermessungsamtes über den Markt Mitterfels machte der Referent diese schwierige Thematik für die große Zahl der Zuhörer anschaulich erlebbar. Kurfürst Maximilian IV. Josef. der spätere König Max 1. von Bayern, gründete mit einer Urkunde vom 19. Juni 1801 das Topographische Bureau, das zur Keimzelle der Bayerischen Verrnessungsverwaltung wurde. In mehreren Jahrzehnten wurde der Erste Grundsteuerkataster (Urkataster) geschaffen, der durch die Liquidationspläne und die durch Unterschriften bestätigten Liquidationsprotokolle zur Grenzanerkennung von Grundstücken führte.
Steuerdistrikte als Grundlage der Gemeindebildung
Bayern, seit 1806 Königreich, war durch das Bündnis mit Napoleon territorial wesentlich vergrößert worden. und wurde durch eine " Revolution von oben" durch die Reformen eines "Superrninisters" Montgelas, zu einem staatsrechtlich modernen Staat. "Das Geld, das der neu entstehende Staat benötigte, sollte aus der damaligen Haupteinnahmequelle, der Grund- und Gebäudesteuer, fließen. Der Weg dazu führte über die Katastervermessung, die nicht nur für den Staat, sondern auch für die Eigentümer bei der Sicherung ihres Grundbesitzes und beim Grundstücksverkehr von Nutzen war." 1)
Die neu gebildeten Steuerdistrikte sollten mit den neu zu bildenden Gemeinden übereinstimmen. Grundlage dieser Neuordnung waren die Konstitution von 1303 und die ergänzenden Edikte. Da der Staat die finanziellen Mittel aus der Grundsteuer dringend benötigte, wurde vom König 1803 unter Leitung von Joseph von Utzschneider die Steuerrektivikations-Kommission gebildet, die innerhalb von zwei Jahren ausreichende Grundlagen für Grundstücksbesteuerung schaffen sollte. Mit dieser Methode scheiterte man jedoch kläglich: Nachprüfungen dieser "Schnellvermessung" ergaben Abweichungen bis zur doppelten Fläche. Da sich herausstellte, dass eine exakte Vermessung als Grundlage der Steuererhebung viel zu lange dauern würde, wurde ein sog. "Steuerprovisorium" eingeführt, das auf der Selbsteinschätzung des Marktwertes der Grundstücke und der Gebäude durch die Besitzer beruhte. Da natürlich versucht wurde, den Wert des Besitzes möglichst niedrig einzuschätzen, erwies sich auch dieses "Steuerprovisorium" als unbrauchbar. Als exakte Nachmessungen der Kataster-Kommission ergaben, dass die meisten Grundeigentümer steuerlich wesentlich höher einzustufen waren, kam es zu innenpolitischen Problemen, in deren Verlauf die Arbeiten der Kataster-Kommission eingestellt wurden. Erst durch das Grundsteuergesetz vom 15. August 1823 wurde die einheitliche Besteuerung auf der Basis der exakten Grundstücksvermessung geschaffen.
Millionen Grundstücke mussten vermessen werden
Im zweiten Teil der Ausführungen ging der Referent auf die Grundlagen der Vermessung ein. Für das ganze Land Bayern wurde ein Dreieckswerk erstellt. Dazu brachte man feste Punkte. die in Sichtweite stehen mussten. In der Regel waren dies Bergspitzen oder Türme. Als Basis des Dreiecksnetzes wurde die Strecke zwischen München-Oberföhring und Aufkirchen gewählt. Die Verlängerung dieser Linie berührt die Spitze des nördlichen Turmes der Frauenkirche in München. Diese gilt als Null-Punkt des Koordinatensystems für ganz Bayern. Von hier aus hatte man die weiteste Sicht zu den umliegenden Dreieckspunkten. Über den Endpunkten der Basislinie wurden Steinpyramiden errichtet. die heute noch zu sehen sind. 2) Die trigonometrischen Punkte des Hauptdreiecksnetzes bildeten die Grundlage der bayerisehen Landesvermessung. 3) Sie lagen zum Teil mehr als 30 Kilometer voneinander entfernt. Ab 1830 wurden alle Punkte des Dreiecksnetzes mit nichtverweslichem Material gesichert und ab 1875 wurden die trigonometrischen Punkte auch oberirdisch sichtbar gemacht, die als Markierungspunkte heute noch zu sehen sind. :3)
Ein karger Lohn für eine harte Arbeit
Mithilfe von Messtisch, Messlatte und Kippregel wurden für Bayern 20000 Messtischblätter im Maßstab 1:5000 erstellt. 4) Für die Landvermessung wurden Leute mit gründlichen mathematischen und geometrischen Kenntnissen benötigt. Diese kamen meist aus der Forstverwaltung oder dem Militär. Sie schufen aus dem Hauptdreiecksnetz die Grundlage für die weitere Landvermessung. Weil dafür eine große Anzahl von weiteren Vermessern benötigt wurde, schuf man eigene Geometerschulen. Die Geometer waren nicht fest angestellt, sondern wurden für die abgelieferte Arbeit bezahlt. Auch die Instrumente mussten auf eigene Kosten beschafft werden. Da sie in der Regel nur acht Monate im Jahr messen konnten, dauerte ihr Arbeitstag im Schnitt 13 bis 14 Stunden.
Von der Vermessung bis zur Karte
Nach der Vermessung mussten die Messergebnisse auf eine maßstabgetreue und reproduzierbare Karte übertragen werden. Da der Druck der Flurkarten im damals üblichen Kupferstich zu teuer gewesen wäre, entschied man sich für das von Alois Senefelder entwickelte Steindruckverfahren, die Lithografie. Dieses Verfahren wurde bis 1960 verwendet. So entstand eine gewaltige "Steindruckbibliothek". Im bayerisehen Landesvermessungsamt befinden sich 27000 Lithosteintafeln aus Kalkstein, das Ergebnis der Arbeit vieler Generationen von Geometern. 5) Mehr als 21 Millionen Grundstücke sind auf diesen Lithografiesteinen graviert und in Katasterplänen erfasst. Erst 1868, nach 60 Jahren, war die Vermessung des Landes Bayern abgeschlossen. Da sich nach Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahr 1900 und des Grundbuches die Aufgaben erheblich vermehrten, übernahm der Staat die halbstaatlichen Messungsbehörden in den Staatsdienst. Es entstanden 81 Vermessungsämter, von denen heute noch 79 existieren.
Das Luftbild revolutioniert die Topografie
Die Luftbildvermessung führte zu einer wesentlichen Beschleunigung der topografischen Landesaufnahme. Vom Flugzeug aus nimmt eine Reihenbildkamera Bilder des überflogenen Geländes auf. Mit speziellen Auswertungsgeraten werden die speziellen topografischen Details erfasst. In jüngster Zeit wurde ein neues Messverfahren entwickelt. Mit einem hochpräzisen Laserentfernungsmesser werden vom Flugzeug aus die Höhenunterschiede direkt gemessen. Dabei wird das Gebiet streifenförmig überflogen. weshalb man dieses Verfahren "Laserscanning" nennt. 7) In einem technisch aufwendigen Verfahren werden die Luftbilder entzerrt, es entstehen sogenannte Orthofotos, in die die Höhenlinien oder die Katasterkarte ein kopiert werden können.
Der große Umbruch: elektronische Messinstrumente
Beträte heute ein Besucher nach 40 Jahren erstmals wieder ein Vermessungsamt, würde er sich verwundert die Augen reiben. Er fände keine Geometer.,die mit Theodolit oder anderer Gerätschaft vom Außendienst zurückkämen, oder mit mechanischen Rechenmaschinen die Messungen auswerteten. Statt dessen findet der Besucher Computer und digitale Auswertungsstationen. Wolfgang Mitsam führte aus, dass drei technische Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten die Arbeit radikal verändert hätten: die elektronischen Messinstrumente mit automatischer Datenerfassung und -speicherung. GPS brachte die zentimetergenaue Standortbestimmung über Satelliten. Die elektronische Datenerfassung schließlich führte zu Geodatenbanken (er stellte die riesigen Lithosteinsammlungen gegenüber) und zu digital erzeugten Karten. Diese vielfältigen digitalen Produkte stünden heute der Öffentlichkeit aktuell und vielfach online zur Verfügung.
Alois Bernkopf ( SR-Tagblatt, 19. August 2009)
Anmerkungen: 1) Wie Bayern vermessen wurde. Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur, Band 26, S. 12 2) und 3) ebd .. S. 25 4) a.D.a.G., S 36,46 5) ebd., S. 48 6) ebd, S. 53 7) ebtl., S. 66, 67 8) Bilder: siehe 1)
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