Er versteht die Sprache der Bäume
An der bayernweit vom Umweltministerium ins Leben gerufenen jährlichen Aktion „Bayern-Tour Natur“ beteiligt sich regelmäßig der Bayerische Wald-Verein, Sektion Mitterfels, mit einer öffentlichen Exkursion. In diesem Jahr stand der Tag unter dem Motto: „Bergwaldbäume am Gallner stellen sich vor“. Martin Graf, Natur- und Landschaftsführer aus Mitterfels, führte als „Dolmetscher“ in die Eigenarten und Phänomene der Baumarten ein.
Bei bestem Wanderwetter trafen sich zahlreiche Wanderer am Fuß des Gallnerberges, wo auf leicht begehbaren Wegen und Pfaden im naturnah bewirtschafteten Bauernwald an den Süd- und Westhängen des Gallnerberges manche Überraschung zu erleben war. Kleine hölzerne Einbein-Hocker, von Martin Graf geschreinert, sollten das Zuhören erleichtern. Auch Baumscheiben, darunter eine uralte Tannenscheibe aus einem Holzbalken der historischen Hien-Sölde in Mitterfels mit ihren zahllosen Jahresringen, war zu sehen.
Das Gebiet am Gallner, jahrhundertelang Bauernwald, ist ein gutes Beispiel für alten Mischwald, der zwar bewirtschaftet wird, sich aber sonst ziemlich frei entwickeln kann. Hier stehen wahre „Baumriesen“ von enormen Ausmaßen. Martin Graf versteht die Sprache der Bäume wie kein anderer und gab seinen Zuhörern tiefe Einblicke in das Leben und Reagieren der einzelnen Bäume. Er beantwortete Fragen wie „wie schafft es ein Baum, seine Blätter auch in 40 Metern Höhe noch mit Wasser zu versorgen?“ Die Beschaffenheit der Baumwurzeln wurde angesprochen, – sie sind im Stande, das Wasser bis in die Baumkrone zu pumpen –, und es gab großartige Beispiele zu sehen von Schatten- und Lichtblättern der Buche.
Dass sich manche Bäume nicht mögen, wurde an einem Kirschbaum und einer Tanne deutlich. Sie strebten sichtbar voneinander weg. Wieder ein Kirschbaum war durch das Fallen eines anderen Baumes in starke Schieflage geraten. Er versucht bis heute, das auszugleichen, indem er am Stamm sogenanntes Zug- und Druckholz ausbildet, ähnlich dem Beuger und Strecker des menschlichen Armes. Der Stamm bekommt dadurch eine ovale Form. Inzwischen hat der Baum schon ein paar „gerade“ Meter geschafft.
Die Naturfreunde erfuhren von Martin Graf, dass sich die „alten“ Buchen um ihren jungen Nachwuchs kümmern, dass Samen-„Geschwister“ besser nebeneinander gedeihen als Samen von fremden Bäumen, und dass Buchen bestens an das heimische Klima angepasst sind und im Kampf ums Überleben dominieren. Auch die Begriffe „Kummerfalten“ oder „Chinesenbärte“ an Bäumen wurden erklärt. Wunderschön war der Anblick uralter Eichen am Gallnergipfel, umgeben von Bergen bemooster Steine, die im Lauf der Jahre aus den Äckern aufgesammelt worden waren. Die weiße Watte der Salweiden mit ihren winzigen Samenkörnern konnte bestaunt werden und die Teilnehmer erfuhren, wie man einen gegabelten Stock als Barometer benutzen kann. So wurde auf unterhaltsame und lehrreiche Weise das Ziel von Bayern Tour Natur, Menschen an die Zusammenhänge natürlicher Vorgänge heranzuführen, nachhaltig erreicht.