Wer als Erwachsener ein Instrument lernen möchte, ist an der Kreismusikschule richtig. Hier wird nicht nur bei Kindern und Jugendlichen die Freude am Musizieren geweckt
Es ist ein Mittwochvormittag. Schöne, leichte Klaviertöne sind aus dem Unterrichtszimmer von Kreismusikschulleiter Andreas Friedländer zu hören. Hinter der geschlossenen Tür sitzt gerade noch Laura Eckert bei ihrer Klavierstunde. Sie wird gleich erzählen, warum sie mit Ende 20 und trotz eines nicht unstressigen Alltags zwischen Beruf, Haushalt und zwei kleinen Kindern beschlossen hat, ein Instrument zu lernen. Als die Tür aufgeht, strahlt sie. Die Freude am Musizieren ist ihr anzumerken. Genauso wie Reinhard Stolz. Der 73-Jährige gesellt sich ebenfalls zu der kleinen Gesprächsrunde. Mit dabei hat er seine Steirische, seine große Leidenschaft. Im Gespräch mit den beiden wird schnell klar: Für Musik ist es nie zu spät, und auch als Erwachsener kann es unglaubliche Freude bereiten, ein Instrument zu lernen – eine Botschaft, die auch Andreas Friedländer am Herzen liegt.
An der Kreismusikschule habe es schon immer auch erwachsene Schüler gegeben, erinnert sich Andreas Friedländer. „Ganz zu Beginn, als wir vor 34 Jahren gestartet sind, vielleicht noch nicht ganz so viele, aber die Zahl stieg kontinuierlich.“ Ein Instrument zu spielen, hält geistig fit Für Andreas Friedländer dürften es aber gerne noch mehr werden. Vor allem bei den Senioren. Friedländer unterrichtet selbst einige erwachsene Schüler, darunter einen 80-Jährigen, der schon seit einigen Jahren bei ihm Klarinette lernt. Mittlerweile spielt er sogar in einem Klarinetten-Ensemble mit. „Zu sehen, mit welcher Freude er dabei ist und zu spüren, was ihm das Instrument gibt, ist etwas sehr Schönes.“ Außerdem ist Friedländer überzeugt: „Ein Instrument zu erlernen, hält geistig fit.“
Reinhard Stolz stimmt ihm da zu. Seine Steirische Harmonika gut zu spielen, sei für ihn eine Möglichkeit, sich geistig zu fordern. Der 73-Jährige ist großer Herbert-Pixner-Fan und lernt seit sieben Jahren Steirische Harmonika an der Kreismusikschule. Er ist ehrgeizig und ärgert sich, wenn er einmal nicht so oft zum Üben kommt, wie er es gerne hätte. „Ich versuche, mindestens vier bis fünf Mal in der Woche zu spielen. Schaffe ich das nicht, habe ich gleich ein schlechtes Gewissen“, erzählt er und muss dabei schmunzeln. Ob es nicht mühsam sei, als Erwachsener noch ein Instrument zu lernen? „Nein“, sagt Stolz ganz klar. „Als mühsam habe ich das nie empfunden. Ich wollte es ja unbedingt lernen. Wenn ich spiele, bin ich in einer anderen Welt.“
Ähnliches erzählt auch Laura Eckert. Sie gehört zu der jüngeren Generation der Erwachsenen-Schülern und für sie hat das Klavierspielen sogar etwas Gesundheitsförderndes. Die 29-Jährige musste schon drei Mal am Herzen operiert werden. Nach der dritten Operation, die über zwölf Stunden dauerte, fasste sie noch im Krankenzimmer den Entschluss: „Ich will jetzt Klavierunterricht nehmen.“ Das Klavier hatte sie da bereits gekauft. „Das waren alles reine Bauchentscheidungen.“ Das Klavierspielen gebe ihr die Möglichkeit, den Fokus einfach auf etwas Schönes zu richten und nur im Augenblick zu sein.
Laura Eckert übt in kleinen Etappen über den Tag verteilt – je nachdem, wie es sich mit dem Alltag gerade vereinbaren lässt. „Meist sind es so zehn Minuten, zum Beispiel abends, wenn die Kinder im Bett sind.“ Auch sie empfindet das überhaupt nicht als mühsam. „Wenn der Wille da ist, ist es einfach eine große Freude.“
Erwachsene sind oft sehr ehrgeizig
Andreas Friedländer bestätigt, dass gerade erwachsene Schüler oft einen großen Ehrgeiz an den Tag legen. „Sie setzen sich meist eigene Ziele, die sie erreichen wollen, zum Beispiel ein bestimmtes Stück spielen können.“ Erwachsene seien da auch viel strenger mit sich selbst. „Da trickst auch keiner. Ausreden wie ‚Der Hund hat die Noten gefressen’ bekommt man da nicht zu hören“, erzählt Friedländer und muss dabei ein bisschen schmunzeln. Der Unterricht für Erwachsene unterscheidet sich in Didaktik und Methodik vom Unterricht für Kinder oder Jugendliche. „Wir benutzen hier natürlich andere Lernhefte und passen die Unterrichtsmethoden an“, erklärt der Kreismusikschulleiter. Dabei spielt auch eine Rolle, ob jemand bereits vorhandene Kenntnisse auffrischen möchte oder komplett von vorne anfängt.
Sowohl Stolz als auch Eckert bereuen es überhaupt nicht, sich für das Erlernen eines Instrumentes entschieden zu haben. Beide können es nur empfehlen. Ob sie einen Tipp haben für jemanden, der es auch anpacken möchte? „Dranbleiben, auch wenn es mal nicht so läuft, wie man es sich vorstellt.“
Musik im Alter
Anfang dieses Jahres erregte die Studie einer britischen Universität Aufmerksamkeit, in der nachgewiesen wurde, dass Musik im Alter tatsächlich geistig fit hält. Die Ergebnisse dieser Studie wurden Ende Januar in dem internationalen Fachblatt „Geriatric Psychiatry“ veröffentlicht und machten auch in deutschen Fachmagazinen die Runde. Dass Tätigkeiten, bei denen sich Senioren konzentrieren müssen, generell für geistige Fitness sorgen, war dabei nichts Neues. Die Studie bestätigte jedoch: Musik zu machen, auch im hohen Alter, sei besonders gut geeignet, sein Gehirn zu trainieren. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer der Studie, mit der Risikofaktoren für Demenz identifiziert werden sollten, betrug 68 Jahre. Die Ergebnisse zeigten unter anderem, dass es nicht reicht, nur Musik zu hören, um sein kognitives Gedächtnis zu stärken.
Trainiert wird das Gehirn nur durch das aktive Musizieren. Dabei stach hervor, dass sich vor allem das Klavierspielen und das Spielen von Holz- und Blechblasinstrumenten besonders positiv auf die Fitness des Gehirns auswirken. Auch das Singen hatte einen großen positiven Effekt. Die Studie sagt natürlich nicht aus, dass aktives Musizieren vor Demenz schützt oder sie irgendwie heilen kann. Aber: Es kann die Krankheit eventuell verzögern. Die „Pharmazeutische Zeitung“ zitierte in einem Beitrag über die Studie die Wissenschaftler folgendermaßen: „Unsere Ergebnisse bestätigen, dass es die kognitive Reserve stärken könnte, wenn Menschen ihr Leben lang musikalisch aktiv sind.“ Musik zu machen könne sich somit schützend auf die Gehirngesundheit von älteren Menschen auswirken. Wie wichtig Musik vor allem für ältere Menschen ist, zeigt auch, dass sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte ein richtiger Bildungszweig herausentwickelt hat: die Musikgeragogik. Sie beschäftigt sich mit musikalischer Bildung im Alter sowie mit musikbezogenen Vermittlungs- und Aneignungsprozessen. Die ersten Konzepte dafür entstanden in den 1970er Jahren und wurden seitdem ständig ausgebaut. Vor allem in Alten- und Pflegeheimen ist dies ein wichtiger Punkt bei der Betreuung.
Kommentar : Mehr Förderung
Der Umgang mit einer überalternden Gesellschaft ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Dazu gehört nicht nur eine Lösung für den Pflegenotstand zu finden, sondern auch, ältere Menschen aus ihrer Einsamkeit zu holen. Denn auch das wird ein immer größeres Problem. Musik könnte dazu einen bedeutenden Beitrag leisten. Deshalb wäre es wichtig, Senioren den Zugang zu musikalischen Angeboten zu erleichtern. Dass Musik oder das Musizieren im Allgemeinen einen unglaublich positiven Effekt auf die geistige Gesundheit älterer Menschen hat, ist das Eine. Was viele aber außer Acht lassen, ist, dass das Musizieren für so manchen ein Weg aus der Isolation und aus der Einsamkeit sein kann. Wer ein Instrument lernt, hat nicht nur regelmäßig Kontakt zu seinem Lehrer oder seiner Lehrerin. Nicht selten bekommt man durch den Musikunterricht auch Zugang zu einem Ensemble oder einem Chor, der es einem ermöglicht, in der Gruppe zu musizieren. An der Kreismusikschule Straubing-Bogen gibt es dafür gute Beispiele. So können soziale Kontakte geknüpft oder gar Freundschaften geschlossen werden. Das ist nicht nur für Kinder und Jugendliche unglaublich wichtig, sondern auch für unsere älteren Menschen. Im Sportverein, im Museum, im Schwimmbad oder auch im Freizeitpark sind Seniorenermäßigungen etwas ganz Normales. Warum also nicht auch beim Musikunterricht? Es sollte eine Überlegung wert sein, den Musikunterricht nicht nur für Kinder und Jugendliche zu fördern, sondern auch Ermäßigungskonzepte für Senioren zu entwickeln. Denn Musizieren ist nicht nur etwas für die geistige Gesundheit, sondern auch für die seelische. Und diese ist unglaublich wichtig – vor allem im Alter.
Von Verena Lehner SR-Tagblatt, 2.8.24