Aus dem Leben einer elfköpfigen Familie

weinbacher01_wFriseurmeister Konrad Weinbacher erinnert sich noch gut an seine Kindheit


Im Ruhestand, wenn man wieder mehr Zeit hat, werden viele Erinnerungen wach. So auch bei Konrad Weinbacher, Friseurmeister und erfolgreicher Hobby-Kaninchenzüchter aus Mitterfels. ...

 

In seinem Haus hängt neben einer farbigen Urkunde seines Vaters, Kriegsteilnehmer von 1914/18 und Träger des Eisernen Kreuzes Zweiter Klasse, ein altes Familienfoto, das seine Familie zeigt. Vater Ferdinand Weinbacher und Mutter Anna, eine geborene Reimer, sind umringt von ihren neun Kindern, sechs Buben und drei Mädchen. Drei Söhne tragen Uniform, sie nahmen am Zweiten Weltkrieg teil. Konrad, der Jüngste, erinnert sich noch an das Kleid, das seine Lieblingsschwester Maria auf dem Foto trägt. Der Gürtel hatte spitze Verzierungen aus Metall. Das gefiel dem kleinen Buben.

Die Weinbachers stammten aus Prackenbach und bauten 1924 dort ein Haus. Das Grundstück bekamen sie geschenkt. Es war Ödland, das keiner wollte, erzählt Konrad Weinbacher. Der Vater, ein gelernter Schreiner, ging auf die Stör zu den Bauern, und schreinerte vor Ort, was so an Möbeln gebraucht wurde: Schrank, Bett, Tisch und Stühle. Eine harte Arbeit, denn der Schreiner musste auch das Holz für die Möbel vorbereiten, Bretter aus Balken schneiden, die Latten hobeln und glätten.


Geldscheine voller Nullen

Konrad Weinbacher erinnert sich an Erzählungen seiner Eltern: "Es war Inflationszeit. Man bezahlte mit Geldscheinen voller Nullen." Aber eine halbe Bier war immer drin für den Schreinermeister. 1911 gründete Ferdinand Weinbacher den Handwerkerverein Prackenbach und blieb bis zu seinem 79. Lebensjahr Schriftführer. Mutter Anna Weinbacher arbeitete als Näherin, so sahen Konrad und die acht Geschwister immer gut gekleidet aus. Selbst die Puppen für die kleinen Mädchen machte die Mutter selbst. 1914 wurde Sohn Ferdinand geboren, dann kamen Alois 1915 und Josef 1916 zur Welt. Die drei Mädchen Anna, Franziska und Maria wurden in den zwanziger Jahren geboren, ihnen folgte 1927 Sohn Johann. Die beiden Jüngsten, Rudolf (1931) und Konrad (1935) waren die Nesthäkchen. Während die großen Brüder in den verschiedensten Berufen arbeiteten, gingen die Schwestern als Hausmädchen "in Stellung". Nur Maria, die Jüngste, erlernte einen Beruf. Sie war Verkäuferin. 1933 kam Vater Ferdinand zur Post. Das hieß, bis zu 30 Kilometer täglich zu Fuß gehen. Radfahren konnte Ferdinand Weinbacher nicht. Die Mutter sagte einmal scherzhaft zu Konrad, ihrem Jüngsten: "Du bist schon als Beamtensohn auf die Welt gekommen. Die anderen sind Schreinerkinder." Für das neunte Kind der Familie Weinbacher hatte Adolf Hitler 1935 die Patenschaft übernommen. Dafür gab es 50 Deutsche Reichsmark. Die Nazizeit brachte einen weiteren Vorteil für die Familie: Mutter Anna durfte sich einige Zeit im Müttergenesungswerk erholen. Zusammen mit einer Nachbarin, die 16 Kinder hatte. Vier von ihren Söhnen sind im Krieg gefallen. Aber die vier Weinbacherbuben kamen glücklich alle wieder heim.

Nicht so glücklich lief es für die große Schwester Anna: Ihr Mann fiel im Krieg. Weil es ihr Vater aber nicht übers Herz brachte, ihr den Brief mit der offiziellen Todesnachricht zu überbringen, sammelten sich viele, nicht mehr zugestellte Feldpostbriefe von Anna in einer Schublade an. Doch das Leben ging weiter. Anna heiratete wieder und bekam fünf Kinder. Während seine Brüder Glasermeister, Schuster oder Schreiner wurden, wollte Konrad unbedingt Friseur werden. Und er hatte Glück: Als er mit 14 eine Lehrstelle suchte, richtete der große Bruder Alois in Regen gerade einen neuen Friseursalon ein und besorgte seinem kleinen Bruder dort einen Ausbildungsplatz.


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Foto links: Neun Kinder hatte Ferdinand Weinbacher mit seiner Frau Anna: (hintere Reihe von links) Ferdinand, Alois, Josef und Johann; die Schwestern (von links): Anna, Franziska und Maria; und die beiden Jüngsten Rudolf und Konrad. - Foto rechts: Die Urkunde von Infanterist Ferdinand Weinbacher zur Verleihung des "Eisernen Kreuzes"


Im Winter mit dem Zug

Den weiten Weg von Prackenbach nach Regen legte Konrad am Wochenende immer mit dem Rad zurück. Nur im Winter wurde mit dem  Zug gefahren. Der Lehrbub Konrad besaß nur zwei weiße Kittel. Die wurden an jedem Wochenende von der Mutter gewaschen. Auch bei den Schuhen musste gespart werden: Die großen Brüder gingen im Sommer barfuß in die Schule. Konrad war Ministrant und durfte auch werktags Lederschuhe tragen.

Konrad Weinbacher hat gute Erinnerungen an seine Kindheit und die großen Geschwister: "Sie haben mich verhätschelt und mir immer Guttis mitgebracht." Zur Anna hat er sogar oft "Mama" gesagt. Mit Rudolf, der vier Jahre älter war, hat er aber auch viel gestritten und gerauft. Einmal hat Rudolf eine neue Lederhose mit Schuhcreme schwarz gefärbt, erzählt Konrad Weinbacher. Ein anderes Mal bettelte sein Bruder dem Metzger eine Schweinehaut ab und baute sich daraus eine Trommel. Konrad wünschte sich immer vergeblich ein Akkordeon. Als er sich eins kaufen konnte, hatte er keine Zeit mehr, um spielen zu lernen.

Konrads große Leidenschaft war das Theaterspielen, die brachte er aus seiner Familie mit. "Wir sind einmal alle elf an einem Tag auf verschiedenen Bühnen gestanden". An den ersten Satz aus dem Stück "Die Tante aus Amerika" erinnert sich Konrad Weinbacher noch heute:  „Was hat sie dir denn mitgebracht?" Stundenlang kann Konrad Weinbacher aus seiner Kindheit erzählen. Trotz vieler Entbehrungen ist er ein fröhlicher Mensch geworden. Das bestätigen seine Ehefrau Rosemarie, die drei Kinder Ilse, Pius und Cornelia und die Enkelkinder Simon, Johannes und Christoph.

 


 

Von Elisabeth Röhn, in: SR-Tagblatt - Osterausgabe 2012, Seite 29

 

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