Keine "heile Welt" in den Büchern
Der Förderverein öffentliche Bücherei in Mitterfels ist immer für einen kulturellen Höhepunkt gut. Ob Konzert oder Autoren-Lesung, ob Kabarett oder Theaterspiel, geboten ist immer ein sehr kurzweiliger Abend auf hohem Niveau. Kürzlich war die bekannte und vielfach ausgezeichnete Autorin Gudrun Pausewang in der Aula der Mittelschule zu hören. Eine höchst vitale, weit gereiste und humorvolle Dame, der man ihre 85 Jahre keineswegs ansieht. Drei Stunden lang gab sie Auskunft über ihr Leben, las aus ihren zahlreichen Büchern vor und stand zuletzt den Zuhörern ausführlich Rede und Antwort.
Mit leisen Songs trug ferner die Sängerin "Miss Costa" , Corinna Stapf, zum Abend bei, begleitet von Bastian Rieser am Piano. Ein Bücherstand bot eine kleine Auswahl an Pausewangs Werken. Am folgenden Tag las Gudrun Pausewang vor Schülern der Mittelschule und im Anton-Bruckner-Gymnasium in Straubing.
In der Schule sei das Lesen von Pausewangs Buch "Die Wolke", das sich mit den Folgen von Atomkraft und Atomkrieg auseinandersetzt, ein "Muss" gewesen, sagte Wolf Stoecker vom Förderverein. Er hatte die Autorin nach Mitterfels geholt. Pausewang stellte ihr Leben und ihre Ziele selbst vor: Schon ihre Kindheit mit fünf jüngeren Geschwistern auf einem Bauernhof in Südböhmen sei von einem nachhaltigen Leben in und mit der Natur geprägt gewesen. Nach der Flucht in den Westen und einem Lehramtsstudium habe ihr Freiheitsdrang sie als Deutschlehrerin nach Südamerika geführt, wo sie zunächst sieben Jahre lang unterrichtete und viele Weltreisen bis nach Japan unternahm.
Heute lebt die Schriftstellerin, die 1972 mit Ehemann und Sohn endgültig nach Deutschland zurückkehrte, im hessischen Schlitz. Hier spielen auch ihre Bücher "Die letzten Kinder von Schewenborn" und "Die Wolke", für das sie 1988 mit dem deutschen Jugend-Literaturpreis ausgezeichnet wurde.
"Ich wollte in meinen Büchern nie die heile Welt darstellen", beschreibt Pausewang ihre Arbeit. "Ich nehme meine Leser ernst". In ihren Büchern setzt sich Pausewang mit vier Themen kritisch auseinander: dem Krieg, dem Elend in Südamerika, der Umweltzerstörung und dem Nationalsozialismus und Kapitalismus. 95 Bücher hat sie geschrieben, zunächst für Erwachsene, seit 1970 auch für Kinder und Jugendliche.
In der Lesung erwies sich die Autorin als Meisterin der Kurzgeschichten. Anschaulich, knapp und packend erzählt Gudrun Pausewang: vom "Kriegspielen" mit dem Onkel, das für Florian zu einem Horror-Erlebnis wird, weil der Onkel den wirklichen Krieg erlebt hat, "echt" spielt und Florian nichts schenkt. Die Erzählung "Der Griff in den Teller" beschreibt eindringlich das furchtbare Elend hungernder Kinder in Südamerika, aber auch die Ignoranz von satten Europäern. Fazit der Autorin: "Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass künftig immer mehr Hungrige den Satten in den Teller greifen".
In der Erzählung von der "Linde" beschreibt Pausewang die Liebe eines kleinen Bauernjungen zur alten Hoflinde, die gefällt werden soll, weil ihre Blätter und Blüten "Dreck" machen.
Und die Geschichte vom "Lehmstampfer" , in der ein Großvater auf schmerzhafte Weise seinen halbwüchsigen Enkel vor der Einberufung in den Krieg bewahrt, wird die Begeisterung der damaligen Jugend für die Nazibewegung deutlich. "Wir waren alle von der Hitlerdiktatur beeinflusst", erklärte Pausewang, die das "Dritte Reich" noch miterlebt hat.
Mit der heiteren Erzählung von der "Geburtstagsanzeige" bewies die Autorin, dass sie auch Sinn für Humor hat. Ihr Appell an die Zuhörer: "Fühlen Sie sich mitverantwortlich für alles, was in Ihrer Umgebung geschieht". Bis heute lebt und schreibt Gudrun Pausewang nach dieser Maxime.
Bericht und Bilder : ta (SR-Tagblatt, 11.10.2013)