Manege frei im Kindergarten Don Bosco in Mitterfels: Die Zirkusschule Regensburg war eine Woche lang zu Gast und ließ so manches Kind über sich hinauswachsen
Von Verena Lehner Mitterfels. Alles war diese Woche ein wenig anders in der Kindertagesstätte Don Bosco in Mitterfels. Die Aufregung am Morgen war ein bisschen größer, das Lachen, das aus den Gruppenräumen tönte, war einen Tick lauter und die Kinder plapperten beim Abholen noch etwas mehr als sonst auf ihre Eltern ein. Woran das lag? An der Zirkusluft, die durch den Kindergarten wehte. Eine Woche lang waren zwei Trainer der Zirkusschule Regensburg zu Gast, trainierten Kunst- und Akrobatikstücke mit den Kindern und bescherten ihnen eine Kindergartenwoche, die ihnen lange in Erinnerung bleiben wird.
„Es soll allen Spaß machen, uns und den Kindern“, sagt Ferdinand Schmid, während er am ersten Trainingstag das Balancierseil in der Turnhalle des Kindergartens aufbaut. Gemeinsam mit seiner Tochter Annabell Liebl gestaltete er die Projektwoche in Mitterfels. Schmid ist Gründer und Leiter der Zirkusschule Regensburg, die unter anderem Projektwochen an Schulen und Kindergärten anbietet, vor Ort mit den Kindern arbeitet und sie spielerisch einführt in die Welt der Zirkusakrobatik. Ihre Philosophie: den Kindern mit einer Kombination aus Spaß und Disziplin etwas abseits vom Schul- oder Kindergartenalltag bieten und gleichzeitig sportmotorische Fähigkeiten und Sozialverhalten schulen und das Selbstbewusstsein stärken.
Kinder waren mit Feuereifer dabei
Dass das alles nicht nur leere Worte sind, war im Kindergarten Don Bosco vom ersten Moment an zu spüren. Die Kinder, egal ob ganz klein oder schon im Vorschulalter, waren mit Feuereifer dabei, wenn es darum ging, über das Drahtseil zu balancieren, Flowersticks auf ihren Armen tanzen zu lassen, Menschenpyramiden zu formen oder sich in kleine Tiger zu verwandeln und durch Reifen zu springen. Es war eine Freude mitanzusehen, wie so manch kleiner Artist im Laufe der Woche über sich hinauswuchs, mutiger wurde und sich am Ende der Woche etwas traute oder schaffte, was einen Tag zuvor noch unvorstellbar war. Kinder, die am Anfang noch etwas schüchtern in der Ecke standen, erzählten plötzlich selbstbewusst einen Witz oder führten eine Clown-Nummer auf.
Das große Ziel: eine Aufführung vor Publikum
Es war vor allem die Art und Weise der Trainer, die dazu führte, dass die Kinder ihr ganzes Potenzial entfesseln konnten. „Ich kann das nicht“ – das ließen Ferdinand Schmid und Annabell Liebl nicht gelten. Ausprobieren, sich trauen, einfach machen – das war die Devise. Dabei fanden die beiden immer das richtige Maß zwischen Spaß und Disziplin – klare Ansagen gepaart mit lustigen Sprüchen, Mutmach-Parolen und motivierenden Worten – das alles weckte den Ehrgeiz der Kinder. Schließlich steht am Ende der Trainingswoche die große Zirkusaufführung an, bei der die Kinder vor Publikum zeigen dürfen, was sie die Woche über alles gelernt und einstudiert haben.
Die Freude, die die Kinder mit der Zirkusschule hatten, verzauberte den ganzen Kindergarten. Auch die Erzieherinnen hatten, wie sie selber sagten, großen Spaß. Denn sie durften das ein oder andere Kunststück selber ausprobieren. Kindergartenleiterin Birgit Baumgartner-Steinbauer und ihr Team freuten sich sehr über dieses außergewöhnliche Projekt und sind der Kinderlobby Straubing sehr dankbar, die das Ganze durch ihre großzügige Spende möglich gemacht hat.
Mehr Bilder von der Trainingswoche gibt es unter www.idowa.de.
„Im Zirkus findet jedes Kind seine Rolle“
Annabell Liebl ist Sozialpädagogin mit Schwerpunkt Zirkuspädagogik und unter anderem seit 14 Jahren als Trainerin bei der Zirkusschule Regensburg. Im Kurzinterview haben wir sie gefragt, was das Besondere an ihrer Arbeit ist.
Frau Liebl, Zirkuspädagogik wird oft als ganzheitliche Form der Entwicklungsförderung bezeichnet. Was ist das Besondere daran?
Annabell Liebl: Sie ist so breit gefächert, dass du jedes Kind irgendwie integrieren kannst. Im Zirkus findet jeder seine Rolle und kann in die Show eingebaut werden.
Wirklich jedes?
Liebl: Ich habe in all den Jahren noch nie den Fall gehabt, dass wir für ein Kind keinen Platz gefunden hätten. Im Gegenteil. Oft kommen Lehrer oder Erzieher am Anfang einer Woche zu uns und sagen, also der oder die machen nie bei irgendetwas mit. So was versuche ich zu ignorieren. Und siehe da: Am Ende der Woche sind auch diese Kinder immer voll mit dabei. Das gilt auch für Kinder, die am Anfang oft etwas schüchtern sind. Die blühen oft regelrecht auf.
Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit mit Kindergartenkindern von der mit Schulkindern?
Liebl: Vor allem im Umfang. Einige Dinge, wie zum Beispiel Einradfahren, fangen wir im Kindergarten noch nicht an. Außerdem ist für die Kindergartenkinder alles von uns vorgegeben, während wir bei Schulkindern auch auf Eigeninitiative bauen und deren Vorschläge in die Show integrieren. Wobei wir immer flexibel sind.
Das heißt?
Liebl: Wir gehen auch im Kindergarten auf die einzelnen Kinder ein, beobachten, was sie gut können, wo ihre Stärken sind, und stimmen dann ihre Rolle in der Show dementsprechend ab.
Was machen Sie mit den Kindern am liebsten?
Liebl: Witze einstudieren und die Tellerdreh-Nummer. Zu sehen, wie ehrgeizig die Kinder da sind und immer und immer wieder die Teller aufheben, probieren, bis sie endlich den Teller auf dem Stab drehen, ist einfach toll. – ver –
Bericht und Bilder: ver (SR-Tagblatt, 4.4.2025)