Ein Leben an der Tankstelle
So kennt ihn in und um Mitterfels jeder: Erich Hafner an der Kasse seiner Tankstelle. Foto: Verena Lehner
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Ein Leben an der Tankstelle

 

Erich Hafner ist 86 Jahre alt und der wohl älteste aktive Tankwart Bayerns. Seine Anfänge hatte er, als der Liter Benzin 40 Pfennig kostete und per Hand in die Tanks gepumpt wurde

Ort hat sie, seine Originale. Menschen, die jeder kennt und die jeden kennen. Die zu einem Ort gehören wie der Ort zu ihnen. Auch in Mitterfels gibt es da so einige. Eines davon ist Erich Hafner. Jeden Tag steht er ab halb sieben Uhr morgens an der Kasse der Mitterfelser Tankstelle. Mit seinen 86 Jahren dürfte er damit der wohl dienstälteste Tankwart Bayerns sein. Viele Menschen hat er kommen und gehen sehen, viele Gespräche hat er geführt, während er kassiert oder Luft und Öl in den Autos nachgefüllt hat. Viele Geschichten hat er zu erzählen – und wir durften ein bisschen zuhören.

Erich Hafner sitzt auf seiner Eckbank in der kleinen Küche neben dem Tankstellen-Verkaufsraum, während er beginnt laut über vergangene Zeiten nachzudenken. „I hab mein Leben an der Tankstelle verbracht und trotzdem die ganze Welt gseng“, sagt er und lächelt dabei sein verschmitztes Lächeln, das er auch jedem seiner Kunden schenkt, wenn die zum Zahlen zu ihm an die Kasse kommen. Schon als kleiner Bub stand er an der Tankstelle, die sein Vater 1927 in Mitterfels eröffnete.

Obwohl er noch ein Kind war, erinnert er sich gut an die Jahre des Zweiten Weltkrieges. Fast jede Tankstelle war damals geschlossen. Kein Tropfen Benzin durfte verkauft werden, das bekam alles die Wehrmacht. Weil der Vater im Krieg war, zog er mit seinen drei Geschwistern und der Mutter in deren Elternhaus, dem damaligen Gasthaus Baumgartner in die Ortsmitte, dem jetzigen Gasthof Fischer Veri. Als Hüterbub verbrachte er dort seine Zeit im Krieg. „Wir hatten es gut dort. Besser als viele andere.“

hafnererich240 Pfennig für einen Liter Benzin

1948 nach der Währungsreform hat sein Vater dann die Tankstelle wieder eröffnet. Die bestand aus nur einer Zapfsäule. „40 Pfennig hat der Liter Benzin damals gekostet. Unvorstellbar“, sagt Erich Hafner. Das Benzin wurde mit Hilfe einer Handpumpe in die Autotanks gefüllt. Auch die Abgabemengen waren ganz andere. Im Schnitt 200 Liter Sprit hat sein Vater damals verkauft – wenn es ein guter Tag war. Zum Vergleich: Heute werden pro Tag an der Mitterfelser Tankstelle zwischen 7 000 und 10 000 Liter Benzin und Diesel ausgegeben. Was den Benzinpreis angeht, hat Erich Hafner schon das ein oder andere mitgemacht. „1956 die Suez-Krise, das war eine verrückte Zeit.“ Damals wurde die Abgabemenge für die Tankstellen stark limitiert. „Nur 200 Liter pro Tag durften wir abgeben.“ Die hatte er für seine Mitterfelser reserviert. „Aber wenn ein Auswärtiger gekommen ist, der nimma weiter kommen wär, hab i ihm fünf Liter eingefüllt, dass er net hängenbleibt.“

Auch das Jahr 2022 wird ihm in Erinnerung bleiben. „Sowas hob i no nia erlebt“, sagt Erich Hafner rückblickend. Bis auf 2,60 Euro für den Liter Diesel kletterten die Preise nach Ausbruch des Ukraine-Krieges hinauf. Erich Hafner schüttelt den Kopf. „Des war da Wahnsinn.“ Ob die Kunden viel geschimpft hätten? „Ein paar schon, aber des war schon immer so, dass wir an der Kasse des abkriagt haben.“ Dabei habe der Tankstellenpächter überhaupt keinen Einfluss auf den Preis.

Erich Hafner macht sowas nichts aus. Ein paar grantige Kunden können ihn nicht davon abhalten, trotz seines hohen Alters noch jeden Tag hinter der Kasse seiner Tankstelle zu stehen, die mittlerweile seinem Sohn Christian gehört. „Wenn i nix dua, dann fällt ma die Deck aufn Kopf.“

Die Tankstelle war und ist sein Leben. Trotzdem hat er neben schönen, sportlichen Autos noch eine Leidenschaft: das Reisen. Mit seiner Frau hat er fast die ganze Welt gesehen. Er war unter anderem in China, Hongkong, Brasilien, Mexiko, Kenia und Südafrika.

Die Welt gesehen – dank Motoröl-Verkaufsprämie

Ermöglicht hat ihm das: seine Tankstelle. Denn bis in die 1980er Jahre hinein gab es für Tankstellenpächter der Firma Shell diese Reisen als Prämie, wenn sie viel Motoröl verkauft hatten. „Und ich war unter 5000 Shell-Tankstellen in Deutschland der beste Motoröl-Verkäufer.“ Obwohl das schon über 40 Jahre her ist und seine Tankstelle mittlerweile nicht mehr zu Shell, sondern Avia gehört, ist Erich Hafner noch immer stolz darauf.

Von seinen Reisen erzählt Erich Hafner heute noch gern. „Einmal hätte mich beinahe ein Krokodil gefressen. Nur weil ich kein Englisch kann.“ In Südafrika sei das gewesen. Dort ist er in einem Naturreservat in einem großen See zum Schwimmen gegangen. Das Schild am Ufer, das ausdrücklich vor Krokodilen warnt und das Schwimmen untersagt, konnte er nicht lesen, weil es auf Englisch war. Erst als er wieder aus dem Wasser kam, habe ihn ein Ranger darauf hingewiesen. „Dann bin i nimma neighupft.“

„Wenn i noch mal a Freundin finden würd ...“ Obwohl Erich Hafner die ganze Welt gesehen hat, wollte er nie weg aus Mitterfels. Hier ist er tief verwurzelt. Er ist bei sämtlichen Vereinen Mitglied und sogar eines der Gründungsmitglieder des TSV. Da war er vor allem als leidenschaftlicher Fußballer im Einsatz.

Fast jeden Abend sieht man sein weißes Mercedes-Coupé vor dem Gasthof Fischer stehen, wo er am Stammtisch sitzt. Für einen Ratsch und zwei Halbe Bier. Außerdem ist er ein leidenschaftlicher Schafkopf-Spieler. Doch Reisen würde Erich Hafner immer noch gerne. Seine Frau ist allerdings bereits im Jahr 2003 gestorben. „Aber wenn i noch mal a Freundin finden würd, dann würd i sofort mit ihr auf die Kanaren fliegen“, behauptet er. Und schon ist es wieder da, sein verschmitztes Lächeln. Aber solange er keine Reisebegleitung findet, wird man ihn weiterhin jeden Morgen an der Mitterfelser Tankstelle hinter der Kasse stehen sehen. „Weil des mach i, solang i kann.“

 


Erich Hafner und seine Tankstelle

Fast 100 Jahre schon gibt es die Tankstelle in Mitterfels. Sie hat das Leben von Erich Hafner bestimmt und geprägt – einige Eckdaten:

• 1927 wird die Tankstelle von Josef Hafner, dem Vater von Erich Hafner, gegründet. Sie besteht aus einer Zapfsäule. Einige Zeit später kommen noch ein Lagerhaus und eine Kohlenhandlung hinzu. Das Lagerhaus betrieb die Familie noch bis Anfang der 1970er Jahre, die Kohlenhandlung bis Mitte der 1990er Jahre.

• 1948 eröffnet Josef Hafner seine Tankstelle neu, nachdem sie während des Zweiten Weltkrieges geschlossen werden musste. Als Elfjähriger arbeitet Erich Hafner bereits mit.

• 1958 baut Josef Hafner eine neue Tankstelle. Das Gebäude steht immer noch und befindet sich heute gegenüber der Sankt-Georgs-Apotheke.

• 1951 wird Erich Hafner mit der Schule fertig und arbeitet seit dieser Zeit an der Tankstelle. Somit ist er seit 72 Jahren dort im Einsatz. Unterbrochen wurde das Ganze nur von seiner Wehrzeit von 1957 bis 1958.

• 1996 im Herbst beginnt die Familie Hafner mit dem Bau ihrer neuen Tankstelle. Sie wird im Frühjahr 1997 fertig und befindet sich seitdem in der Bayerwaldstraße 3.

• 2004 übergibt Erich Hafner die Tankstelle an seinen Sohn Christian. Ganz aufhören konnte er jedoch nicht. Noch jeden Tag steht er an der Kasse. – ver –


 

Bericht und Bilder : Verena Lehner, SR-Tagblatt, 16.9.23