Die Kreuzweihe

In Mitterfels ist vor Kurzem, nach kompletter Restauration, ein altes Wegkreuz geweiht worden. Die in der Marktgemeinde wohnende Liesl Wacker blickt in ihrer Geschichte „Die Kreuzweihe“ auf den Bau des Marterls zurück – der für sie mit ganz persönlichen Erinnerungen an ihren Vater verbunden ist.

Es dürfte im Winter 1951 oder im Frühjahr 1952 gewesen sein, als mein Vater den Auftrag bekam, ein großes Feldkreuz zu errichten. Auftraggeber war meines Wissens der damalige Verkehrs- und Verschönerungsverein. Mein Vater war zwar sehr stolz wegen des Auftrages, aber er hatte auch große Bedenken, da es das erste große Kreuz werden sollte. Mittlerweile hingen ja schon in vielen Haushalten, in Schul- und Amtsräumen vom Vater gefertigte Kreuze.

Als ich nun zu Vater sagte: Geh des machst du scho, do brauchst halt länger. Da bekam ich gleich einen Vortrag von wegen Größenordnung und was für so an großen Herrgott ein großes, astfreies und fehlerloses Stück Holz nötig sei, und die Arme müssten ja auch ganz anders berechnet werden. Ach ja, dann hatte Vater auch noch den Vorschlag gemacht, kein einfaches Kreuz, sondern ein Marterl herzustellen, da doch dann der Herrgott durch das Dach viel besser geschützt sei.

Dann gab es für Vater nur noch das Marterl und den Christus. Mein Vater war selten zufrieden mit seiner Arbeit, irgendetwas hätte immer noch besser sein können, und dann konnte er sehr grantig sein und war am schimpfen. Einmal habe ich eine saftige Watschn bekommen, als ich ihn beim Schimpfen unterbrach und meinte „Vata, moanst, dass des den Herrgott freut, wenn du beim Schnitzn so schimpfst? Jedenfalls durfte oder musste ich das INRI-Schild im „Rohbau“ herstellen. Beim Marterl machen musste ich die Bretter halten und wehe die verrutschten.

Als Sockel hatte Vater einen Baumstamm genommen, einmal war er zu dünn, dann zu dick oder er war zu hoch. Als wir eine Scheibe abgeschnitten hatten, war er schief. Natürlich war ich da schuld, weil ich die Baumsäge nicht richtig gehalten hatte. Gut, dass damals öfter Herr Stolz (zu der Zeit Schreibwaren) nach dem Werdegang des Kreuzes schaute und immer ein großes Lob für Vaters Arbeit hatte. Aber als das Marterl mit Christus nach langer Zeit – es dauerte Monate – fertig war, sagte Vater lobend zu mir: No ja Liesl, a paar guade Ratschläg host ma ja dennerst gebn! Da waren alle Schimpfereien und auch die Watschn vergessen.

Gut dass mein Vater nicht mehr erlebt hat, dass sein Herrgott „angeweißelt wurde“! Wia ma a Kuchl ausweißt, sagte damals empört eine Mitterfelserin zu mir. Aber alle Ärgernisse waren bei mir vergessen, als ich vor einigen Wochen, am 5. Mai, bei der neuerlichen Einweihung im Rahmen einer Maiandacht das Wegkreuz, welches mit viel Aufwand, mit viel Liebe restauriert worden war, gesehen habe. Auch von meiner Seite ein Vergelts Gott!

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich weder von der Maiandacht noch von den vielen netten Worten viel mitbekommen habe. Ich sah mein Kreuz, mein INRI-Schild und war in die Jahre Anfang 1950 zurückversetzt.

Als mein Vater Alois Betz im Februar 1972 starb, war ich schon stolz, als im Straubinger Tagblatt zu lesen war, dass ein Herrgottsschnitzer zu Grabe getragen wurde.

Bogener Zeitung, 06.06.2015, Rubrik "Lesergeschichten"