Die Besiedlung des oberen Waldes

Aus der Geschichte des Bayerischen Waldes - Die Besiedlung des oberen Waldes -Sie erfolgte deutlich eher als im unteren Wald

 


Seit Jahrtausenden schon ist die Cham-Furth-Tauser-Senke ein wichtiges Eingangstor nach Böhmen, aus einer Zeit, als es den Begriff „Grenze“ noch nicht gab, weil staatsbildende Strukturen fehlten. Zahlreiche archäologische Funde, wie der „Pösinger Faustkeil“, belegen dies deutlich.

 Dieser Faustkeil, den wohl ein Jäger vor etwa 100 000 Jahren, einer Zeit also, in der noch der Neandertaler lebte, im Regen verloren hat, gilt als eines der ältesten Zeugnisse menschlichen Lebens in Bayern. Seither gibt es immer wieder Steinwerkzeugfunde (Pfeilspitzen, Klingen, Schaber), die auf durchwandernde Menschen ( Rentierjäger ) der Steinzeit ohne festen Wohnsitz hinweisen. Um 4000 v.Chr. vollzog sich ein Kulturwandel. Der Mensch begann sesshaft zu werden. Er errichtete Hütten und bearbeitete den Boden. Er baute frühe Getreidesorten wie Emmer, und Gerste. Schafe, Ziegen, Rinder und Schweine wurden als erste Haustiere gehalten, Aus den Gebieten um Cham, Furth i. Wald, Kötzting und Hohenwarth liegen Steinwerkzeuge, Steinbeile und Keramikfunde vor, die auch beweisen, dass in der Bronzezeit ( 2300 – 1300 v. Chr.) am Hohenbogen schon nach besonderen Steinen (z.B. Amphibolit) gesucht wurde.

Im Jahre 179 n.Chr. errichteten die Römer ein Kastell gegenüber der Mündung des Regens in die Donau. Sie nannten es „Castra regina“, nämlich Regensburg. Damals lebte in der heutigen Oberpfalz der Stamm der Naristen. 531 überfiel Theuderich, König der Merowinger, dieses Land, und die meisten Bewohner mussten fliehen, andere blieben und verschmolzen mit den Bojern. Es ist anzunehmen, dass diese Menschen auch in der Gegend um Cham, Furth im Wald und Kötzting gelebt haben; die erste Nennung von Cham ist aus dem Jahre 819 in einer Urkunde erhalten.

Die Besiedlung des Bayerischen Waldes vom Westen erfolgte auffällig früher als vom Süden und Osten her. Der Flusslauf des Regens mit seinen flacheren Höhenzügen und einem geeigneten Ackerboden bot den Siedlern eine deutlich bessere Existenz als die kalten und steinigen, zur Donau parallel verlaufenden Hochlagen des östlichen Waldes. Wahrscheinlich haben die Neusiedler sich in Gegenden niedergelassen, die ohne intensive Rodungsarbeit für ein Sesshaftwerden geeignet waren, weil hier schon früher Menschen entsprechende Vorarbeiten geleistet hatten (Chamer Gruppe). Die etwa 60 ing-Orte der Chamer Region entlang des Regens sind sicher die ersten und damit ältesten Siedlungsstätten, die wohl ab dem 8. Jahrhundert, vielleicht auch schon etwas früher, entstanden sind. Neben diesen bayerischen Siedlungen lassen sich ab dem 7. Jahrhundert auch slawische Orte nachweisen, wie Grabitz, Kothmeißling, Seuchau, Rötz und andere. Das von Cham gegen Osten ausstrahlende Siedlungswesen gewinnt erst ab dem 11. Jhh. eine größere Bedeutung, als die Landschaft an der Grenze gegen Böhmen unter der Dienstherrschaft der Markgrafen von einem Netz von Wehrburgen (Haidstein, Zandt, Miltach, Hohenwarth, Furth, Lichtenegg u.a.), befestigten Kirchhöfen (Eschlkam, Neukirchen, Kötzting) und Wehrdörfern überzogen wird.

Mangels schriftlicher Überlieferungen müssen wir uns weiter auf die Ortsnamen stützen, die auf die Reihenfolge der Besiedlung hinweisen können. An die ing-Orte schließen sich im 10. bis 12. Jahrhundert die Orte auf –dorf (Windischbergerdorf, Raindorf), -hof (Schafhof, Gaishof) und –bach (Rimbach, Blaibach, Mosbach) an. Diese Ansiedlungen liegen ebenfalls noch im flacheren Land, wie im Regental und an seinen Nebenflüssen. Man hatte es damals noch nicht nötig, Grenzertragsböden in den Hochlagen des Bayerischen Waldes unter den Pflug zu nehmen.

Das Urkloster Chammünster

Herzog Odilo von Bayern (735-748), verheiratet mit einer Tante Karls des Großen und der Vater Herzog Tassilos III., schenkte ein Gebiet von etwa 5000 ha um Chammünster an das Domkloster St. Emmeram in Regensburg. Es war die Zeit, als Bonifatius Bayern in vier Diözesen (Salzburg, Freising, Passau und Regensburg) einteilte. Von 739 bis 975 waren die Äbte von St. Emmeram gleichzeitig Bischöfe von Regensburg. Die Mönche errichten am Zusammenfluss von Regen und Chamb 739 eine kleines Kloster („Cella ad Chambe“) als Missionsstützpunkt für das böhmische Grenzgebiet. Wie erfolgreich diese Missionierung wirklich war, lässt sich nur schwer erfassen. Man darf es vielleicht als eine Frucht ihrer Bekehrungsarbeit werten, wenn sich im Januar 845 vierzehn böhmische Fürsten samt ihren Gefolgsleuten in Regensburg taufen ließen. 975 wird in Folge der Trennung von Bischofsstuhl und Kloster St. Emmeram durch Wolfgang von Regensburg die Zelle Chammünster dem Bischof zugeteilt. Die Mönche wurden nach Regensburg zurückgerufen und Chammünster wird zur Urpfarrei des oberen Bayerischen Waldes. Sie umfasste ein Gebiet von Blaibach bis Schönthal und war zuständig für die pfarrliche Versorgung der Königshöfe Nittenau, Cham und Roding (hier weilte 844 König Ludwig der Deutsche und 896 Kaiser Arnulf von Kärnten). Mit eigenen Siedlungsgründungen trat das Kloster nicht hervor. Um das Jahr 910 wurde die Zelle wahrscheinlich von den Ungarn zerstört, und als im Jahre 973 das Bistums Prag gegründet wurde, hörte auch die Missionsarbeit auf. Böhmen etablierte sich unter den Přemyslidenherzögen als herrschaftliche Einheit. An die frühe Bedeutung als Urkloster erinnert heute noch die kunsthistorisch wertvolle dreischiffige, romanisch-spätgotische Kirche, die wahrscheinlich die vierte Kirche an dieser Stelle ist. Der Name Chammünster erscheint 1390 erstmals in einer Urkunde.

Die Reichsburg Cham

Bis ins Hochmittelalter wurde die Völkerstraße von Cham nach Furth und Pilsen neunmal von deutschen Heeren durchzogen. An den gefährdeten Reichsgrenzen setzte Karl d. Gr. Markgrafen ein, die für die Verteidigung des Landes verantwortlich waren. Einer der Markgrafen von Vohburg-Cham errichtete an der Mündung des Chamb in den Regen eine Burg, die den Namen „Chambe“ trug.

Die Markgrafen waren königliche oder kaiserliche Amtsträger, und so war diese Burg eine Reichsburg und Mittelpunkt der Markgrafschaft Cham. Hierher zog sich Kaiser Otto II. nach einer verlorenen Schlacht bei Pilsen zurück (976), und König Heinrich III. sammelte hier 1040 ein Heer, als er gegen die Böhmen zog. Nach dem Aussterben der Markgrafen von Cham-Vohburg (1204) erbten die Wittelsbacher die Markgrafschaft. Wegen auffallend vieler Überfälle und Plünderungen entstanden im Grenzgebiet zahlreiche Burgen, es folgten bedeutende Grafengeschlechter (Nothafft, Degenberger ), die lange Zeit tonangebend in unserem Waldland waren. Für die gewöhnliche Bevölkerung waren diese Herren keine einfachen Gebieter, es galt Fron- und Waffendienste zu leisten und es mussten Abgaben getätigt werden. Die Kolonisation der deutschen Grenze verstärkten die Grafen von Bogen, die hier im 12. Jhh. mit dem Erwerb von Eigengütern und der Errichtung von Burgen eine Verbindung zwischen ihren Besitzungen an der Donau und ihren böhmischen Gebieten um Schüttenhofen herstellen wollten. Das frühe Aussterben des Grafengeschlechtes beendete aber diese Pläne, die Burg auf dem Hohenbogen wurde wahrscheinlich aus diesem Grund nicht fertiggestellt.


 

Bericht und Bilder : Dr. Hans Aschenbrenner, Straubinger Tagblatt 15.6.2010