Volle Kraft voraus - Energie im Landkreis- Landkreis Straubing-Bogen entwickelt zukunftsweisenden Energienutzungsplan
(Straubinger Tagblatt, 7.7.2014) Im Sommer glitzern Photovoltaikanlagen in den unterschiedlichsten Blautönen auf den Feldern und Dächern der Region. Und das ist einer von vielen Schritten in Richtung Energiewende, denn in und um Straubing wird nachhaltiges Handeln großgeschrieben. Dazu gehört auch der Bereich der Energieerzeugung. Besonders nachhaltig sind die sogenannten "erneuerbaren Energien": Darunter versteht man die umweltfreundliche Stromerzeugung mithilfe von Sonnenenergie (Photovoltaik), Biomasse, Wasser und Wind.
Der Landkreis Straubing-Bogen hat im April 2013 mit "Volle Kraft voraus! Energienutzungsplan für die Zukunft" ein großes Energieprojekt gestartet, das die vielfältigen Aktivitäten und Maßnahmen
zur energetischen Entwicklung im Landkreis Straubing-Bogen zusammenführt und zielgerichtet optimiert. Das Vorhaben wird von Energieexperten der Coplan AG und der Augsburger bifa Umweltinstitut GmbH durchgeführt und vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie mit einer Förderquote von 70 Prozent finanziell unterstützt.
Erste Infoveranstaltungen
"ENP - was ist denn das?" So erging es einigen Gemeindevertretern zu Beginn der Bürgermeisterdienstbesprechung im Mai 2013. Auf dieser Veranstaltung konnten sie sich erstmals über die Inhalte und Ziele des Energienutzungsplanes informieren. Als Nächstes wurden die Akteure und Bürger vor Ort über das Vorgehen informiert. In vier Bürgerveranstaltungen in Mitterfels, Oberschneiding, Geiselhöring und Neukirchen haben zahlreiche Vertreter und Bürger des Landkreises die Gelegenheit wahrgenommen, das Vorhaben kennenzulernen und im Gegenzug ihre Erwartungen und Wünsche zu äußern. Während die Bürgermeister sich eine praxisnahe Bearbeitung des Gesamtprojekts und eine gute Zusammenarbeit mit den Akteuren vor Ort wünschten, baten die Bürger um kontinuierliche Informationen zum Projektfortschritt. Auf der Internetseite www.straubing-bogen.de im eigens konzipierten ENP-Rundbrief und in der Lokalpresse konnten Interessierte alles über den Projektstand nachlesen.
Sammeln und berechnen
Im Zuge der Ermittlung des Ist-Zustands ist eine umfassende Analyse beispielsweise der Verbrauchsdaten und Energieinfrastruktur erforderlich. Hier waren alle Unternehmen, Gewerbetreibenden, Energieversorger, Gemeinden und teilweise Privatleute im Landkreis Straubing-Bogen aufgerufen, ihre aktuellen Daten bereitzustellen. "Das ist eine wichtige Grundlage für die Entwicklung eines Energienutzungsplans. Wir müssen erst mal wissen, wie der Energiebedarf und die Energieinfrastruktur in der Region aussehen", so Projektbearbeiter Andreas Huber.
Die Ingenieure wissen aus Erfahrung, dass sich der Verbrauch von Haus zu Haus beziehungsweise von Straße zu Straße unterscheidet. So ist dieser in einem reinen Wohngebiet deutlich geringer, als in einem Gebiet mit produzierenden Unternehmen.
Spannend ist auch, welche Energieprojekte bereits durchgeführt und welche erneuerbaren Energieanlagen installiert wurden. Dazu zählen beispielsweise Energieeinsparprojekte, Sanierungsprogramme, der Ausbau von Photovoltaikflächen oder- die Förderung von Energieberatungen. Diese Aktivitäten wurden erstmals für den Landkreis katalogisiert und bewertet, mit dem Ziel, durchgeführte Projekte und daraus gewonnene Erfahrungen bei der Entwicklung weitergehender Maßnahmen im Rahmen des Energienutzungsplans zu berücksichtigen und darauf aufzubauen.
• Info
Die Bioenergieregion Straubing-Bogen wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert.
In Workshops gemeinsam zum Ziel
Energienutzungsplan : Mit Leuten vor Ort werden realistische Projekte erarbeitet
Nach dem rein technischen Sammeln und Aufbereiten der Daten ging es über zum spannenden Part: In zwei Workshops wurden gemeinsam mit den Akteuren aus der Praxis konkrete Vorschläge eingebracht. "Das ist das ganz besondere an unserem Energienutzungsplan! Die meisten ENPs wandern schnell in die Schublade, denn sie sprechen theoretische Empfehlungen aus. Bei uns ist es anders, es werden gemeinsam mit den Leuten vor Ort realistische Projekte erarbeitet, die zeitnah in unserem Landkreis umgesetzt werden können", sagt der damalige Landrat Alfred Reisinger. Bis es jedoch so weit war, gab es eine Menge Arbeit für die insgesamt 70 Teilnehmer der bei den Workshops.
Unter dem Motto "Gemeinsam können wir das optimieren" lud das Projektteam am 27. März zum ersten Workshop ins Landratsamt ein. Es kamen Experten und Entscheidungsträger sowie Akteure zur Umsetzung aus den jeweiligen Bereichen. An sechs Thementischen wurde intensiv gearbeitet. Mit dabei waren auch Carolin Riepl, die Netzwerkmanagerin der Bioenergie-Region Straubing-Bogen, und Rita Kienberger vom Zukunftsbüro des Landkreises. Auf der Agenda des ersten Workshops standen die Punkte: Bewusstseinsbildung, Biomassewirtschaft, energetische Optimierung von Biogasanlagen, der Ausbau erneuerbarer Energien, die Entwicklung eines intelligenten Stromnetzes und kommunales Energiemanagement. Rund fünf Stunden sammelten die Teilnehmer Fakten und Meinungen, diskutierten über etwaige Probleme und Perspektiven. Dabei ging es neben "Best-Practice"-Beispielen aus dem kommunalen Bereich auch um die Entwicklung eines intelligenten Stromnetzes. Das Ziel des zweiten Workshops am 24. Juni war es, die avisierten Projektansätze weiterzuentwickeln und die Umsetzung als Pilotprojekt zu beginnen. An vier Thementischen wurden die folgenden Vorhaben weiter ausgearbeitet:
Nahwärmenetz Rattenberg
Für Rattenberg war die Idee geboren, ein Nahwärmenetz auf Basis von Biomasse und bereits installierten Kraft- Wärme- Kopplungsanlagen einzurichten. Dabei sollen vorhandene Wärmequellen nach Möglichkeit eingebunden werden.
Viele alte, dezentrale Heizungsanlagen in verschiedensten Gebäuden könnten künftig durch eine zentrale Wärmeerzeugungsanlage ersetzt werden, die die Wärme effizient und regenerativ erzeugt. Die in der Heizzentrale erzeugte Wärme wird über Wasserrohre in die einzelnen Gebäude transportiert und dort über eine Hausübergabestation an die bestehende Hausheizung übertragen. Das im Workshop erarbeitete Konzept wird zunächst im Gemeinderat vorgestellt. Im Zuge einer Fragebogenaktion soll im September das Interesse der Rattenberger Bürger untersucht werden und anschließend eine Vorplanung beginnen. Bei positivem Ausgang wird im Januar/Februar 2015 eine Infoveranstaltung stattfinden.
Biogas-Gesprächsrunde
Der Projektansatz "Gesprächsrunde für Biogas-Interessierte" hat zum Ziel, alle 26 Biogasanlagenbetreiber aus dem Landkreis zu vernetzen und ihnen eine Plattform zum Austausch zu geben. Längerfristig wäre eine Erweiterung des Teilnehmerkreises auf Anwohner denkbar, um die Kommunikation zwischen den beiden Gruppen zu verbessern. Die Teilnehmer legten bereits einige Aufgaben der geplanten Fachrunde fest: Regelmäßig werden Beiträge von regionalen Experten zu aktuellen Themen angeboten. Als Serviceleistung für die BGA-Betreiber könnten kleinere Arbeits- und Infogruppen zu Anliegen organisiert werden. Das erste Treffen wird bereits im November stattfinden. Eine Anschubfinanzierung ist dank der Bioenergie- Region bis Mitte 2015 gesichert.
Energiemanagementsystem
Eine andere Gruppe hat sich mit dem Thema "Kommunales Energiemanagementsystem" (KEM) in den Gemeinden der ILE Gäuboden beschäftigt. Mithilfe eines KEM können Energie eingespart, Treibhausgase reduziert und in Folge die Betriebskosten für Gebäude minimiert werden. Es ermöglicht zudem die strategische Planung von energetischen Maßnahmen am Gebäudebestand der Gemeinden. Beispiele zeigen, dass in den ersten Jahren durch geringinvestive Maßnahmen zehn bis 15 Prozent des Energieeinsatzes eingespart werden können. Für die Gemeinden der Gemeinschaft ILE Gäuboden wird angestrebt, das KEM zunächst pilothaft für die öffentlichen Liegenschaften einzuführen.
In den nächsten Wochen folgt die Erarbeitung eines konkretisierten Projektvorhabens für die Bürgermeister der ILE Gäuboden. Erste weiterführende Gespräche sollen noch im Juli stattfinden. Im Herbst wird zusammen mit den Gemeinden ein detaillierter Fahrplan für das weitere Vorgehen zur Einführung eines KEM aufgestellt. Verantwortlich für die ersten Schritte ist das Zukunftsbüro. Die erste Datenerfassung und damit Beginn der Bestandsaufnahme wird im ersten Quartal des Jahres 2015 angestrebt.
Pilotprojekt in Ascha
Mithilfe eines intelligenten Netzes, das unter anderem E-Mobilität und Wärmeerzeugung mit einbezieht, kann die Energieversorgung mit erneuerbaren Energien optimiert werden. In Abstimmung mit Dienstleistern und Energieversorgern soll in der Gemeinde Ascha ein Pilotprojekt zur Einrichtung eines Smartgrids entstehen. Noch im Juli ist ein Treffen mit Bürgermeister Zirngibl und Gemeindevertretern vorgesehen. Wenn die Gemeinde zustimmt, dann steht dem Projektstart nichts mehr im Wege.
Am 11. August werden die Ergebnisse des Gesamtprojekts "Energienutzungsplan für die Zukunft!" in der Kreistagssitzung offiziell vorgestellt. Die beiden beauftragten Unternehmen - Coplan AG und bifa Umweltinstitut GmbH - haben Klarheit geschaffen. Darüber hinaus ist es dem Landkreis gelungen, die Region mit "echten" nachhaltigen Projekten zu bereichern, die Akteure einzubinden und allen Bürgern eine nachhaltige Versorgung mit Energie zuzusichern.
Texte: Josefine Eichwald, Sonja Grazia D'lntrono