Hausherr auf Burg Mitterfels
Heinrich Stenzel ist trotz eines herrschaftlichen Amtssitzes nah an der Heimat
„Darf ich noch Heinerl zu dir sagen?“, habe eine ältere Dame ihn einmal gefragt, die ihn von Kindheit an kannte. Das war kurz nach seiner Wahl zum Bürgermeister, sagt Heinrich Stenzel. Siezen ließ er sich von der Dame nicht, sei er doch derselbe geblieben.
Mit Blick aus einem Fenster seines Büros auf Burg Mitterfels deutet er auf ein Haus am gegenüberliegenden Hügel und sagt: „Gleich dahinter wohne ich.“ Die Dame, sein Zuhause und sein Arbeitsplatz stecken den Rahmen seiner Wohlfühlzone ab: sein Geburtsort Mitterfels und dessen Menschen. Von Tobias Maier Stenzel war familiär nicht vorgeprägt, als er 1990 sein erstes Amt in der Politik antrat und Marktgemeinderat wurde. Geplant habe der heute 69-Jährige seinen politischen Werdegang nicht. Bereits der Weg in den Gemeinderat ist ihm von Bekannten gebahnt worden: „Ich war immer schon viel in Vereinen aktiv und wurde dann unversehens gefragt, ob ich kandidieren möchte.“ Er habe sich für seine Heimat Mitterfels engagieren wollen. Allerdings gab es einen Kontakt zur Gemeinde, wenn auch indirekt.
Stenzel hatte in einer Mitterfelser Druckerei nämlich Schriftsetzer gelernt und anschließend dort gearbeitet: „Daher habe ich 50 Jahre lang den Gemeindeboten gedruckt.“ Nach seiner Wahl zum Bürgermeister 2002 arbeitete Stenzel noch kurzzeitig halbtags weiter, später wurde er ehrenamtlicher Bürgermeister in Vollzeit. Obwohl Mitterfels während Stenzels Amtszeit von etwa 2 300 Einwohnern auf über 2 800 angewachsen ist, hält er das Ehrenamt für den richtigen Weg: „Ich denke, der Bürgermeister sollte ehrenamtlich bleiben. Durch das Hauptamt werden bestimmte Menschen ausgeschlossen.“ Ein Selbstständiger beispielsweise könne nicht einfach sechs oder gar zwölf Jahre aufhören. Und die Anforderungen seien für einen hauptamtlichen Bürgermeister auch nicht anders als für einen ehrenamtlichen. Inzwischen hat sich der Gemeinderat für einen hauptamtlichen Bürgermeister entschieden (wir berichteten).
Gewachsene Ansprüche
Das Wachstum der Gemeinde bringe nicht nur Vorteile mit sich. „Viele Menschen kenne ich einfach nicht mehr“, sagt Stenzel. Die Anonymität führe auch zu einem veränderten Umgang mit der Gemeinde: „Die Ansprüche steigen und immer mehr Menschen sehen die Gemeinde im Grunde als Dienstleister.“ Eine von Stenzels ersten eigenen Entscheidungen als Bürgermeister war der Kauf der Burg Mitterfels: „Es war die richtige Entscheidung.“ Und eine seiner wichtigsten, zusammen mit dem Bau einer neuen Doppelturnhalle und der Schulhaussanierung. Während die Burg für die Gemeinde stehen kann, kann es die Turnhalle für die Vereine und die Schule für die Familien: „Mitterfels ist ein Wohnort, da ist die Infrastruktur wichtig.“ Erhalten und Ausbauen sei seine Devise gewesen. „Bürokratiewahnsinn“ Bei einem mit den Bauvorhaben gekoppelten Thema echauffiert sich der zurückhaltend wirkende Stenzel: die Bürokratie. Deren Wuchern kritisiert er scharf: „Mit der Bürokratie macht sich Deutschland kaputt.“
Stenzel spricht auch von einem um sich greifenden „Bürokratiewahnsinn“. Früher sei es noch möglich gewesen, selbst Entscheidungen zu treffen. Inzwischen brauche es für alles einen Planer, dies wiederum brauche Zeit und damit stiegen Projektkosten ebenfalls. Die Bürokratie sei kein unwesentlicher Stressfaktor. Doch diesen und den Stress als Bürgermeister insgesamt nimmt Stenzel pragmatisch: „Manchmal hat man eine schlaflose Nacht und am nächsten Tag geht es weiter.“ Er hat nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Für seinen heute elfjährigen Enkel habe er beispielsweise immer genügend Zeit eingeplant. In Stenzels Freizeit spielt die Musik eine große Rolle.
Früh habe er Bassgitarre lernen wollen, doch: „Meine Eltern konnten es sich einfach nicht leisten, denn ich hätte zur Musikschule nach Straubing fahren müssen.“ Mit 17 habe es dann geklappt. Später habe er mit Freunden in einer Band gespielt und sei auch aufgetreten: „Damals hatte noch jedes Dorf einen Tanzboden, wo die jungen Leute zum Tanzen hingingen.“ Mit dem Mitterfelser Musikverein, in dem er Tuba spielt, trat er im historischen Zelt am Gäubodenvolksfest auf: „Beim Volksfestauszug mitmarschieren zu dürfen, das ist schon eine Ehre.“ Schwammerl im Wald Eine Ehre sei für den gebürtigen Mitterfelser auch gewesen, sich für seine Heimat einsetzen zu können. Im Kreistag, dem er seit zwölf Jahren angehört, will er dies weiterhin tun.
Weggezogen habe es ihn nie. Er freue sich, in den Wald zu gehen und Schwammerl zu suchen: „Man schätzt die schöne Umgebung häufig nicht, weil man sie immer hat.“ Vor Kurzem hat die Gemeinde den Burgberg für 350 Euro erworben, so wachse zusammen, was zusammengehört. Die Burg und der Berg passen laut Stenzel zu Mitterfels: „Wie der Name Mitterfels schon sagt: mitten auf dem Felsen.“ Bis Mai befindet sich Stenzel noch in der Mitte des Mittigen.
Bericht und Bilder : erö (SR-Tagblatt, 16.11.2019)