Die Besiedlung des unteren und mittleren Waldes

Aus der Geschichte des Bayerischen Waldes - Die Besiedlung des unteren und mittleren Waldes

Das weite Land südlich der Donau bis zu den Alpen begannen die Römer schon im Jahre 15 v. Chr. zu erobern und die hier verstreut lebenden Raeter und Vindeliker ...

Das weite Land südlich der Donau bis zu den Alpen begannen die Römer schon im Jahre 15 v. Chr. zu erobern und die hier verstreut lebenden Raeter und Vindeliker zu unterwerfen. In den folgenden Jahrhunderten wanderten weitere Stämme (Markomannen, Alemannen, Bojer u.a.) in dieses Gebiet ein und es entstand mit einfallenden Hunnen, Awaren und Ungarn ein buntes Völkergemisch in diesem fruchtbaren Ackerland.

Die Römer mit all ihren Mitbewohnern mieden aber das Land nördlich der Donau, das in einer Mettener Urkunde „Eremus nortwald“, der menschenleere Nordwald,  genannt wurde. Also,  dieses schier unendliche, wilde Urwaldgebiet nördlich der Donau war noch nach der Zeitenwende Jahrhunderte lang frei von Siedlungen, wenngleich man in jüngerer Zeit Spuren von Goldsuchern, Jägern, Durchwanderern oder auch Sesshaften (Kelten) fand. 

Die Rodungstätigkeit der Klöster

Es waren vor allem Klöster, die die Besiedlung des Bayerischen Waldes einleiteten. Eckpfeiler der Waldbesiedlung im 8. Jahrhundert waren zunächst die Bischofsklöster Regensburg und Passau. Zwischen diesen beiden Dominanten entstanden die Klöster Niederaltaich und Metten, beide übrigens an der linken Donauseite dem Wald zu gelegen. Das für die Besiedlung des Bayerischen Waldes wichtigste Kloster war Niederaltaich.

Im Jahre 741 gründete der bayerische Herzog Odilo unterhalb der Isarmündung dieses erste Kloster Bayerns und holte Mönche aus Reichenau, die schon Erfahrung  in der Rodung und Besiedlung neuer Gebiete hatten. Ausgestattet mit 350 Bauernhöfen meist im fruchtbaren Gäuboden und Salzpfannen in Reichenhall waren die Benediktinermönche mit ihrer Ordensregel „Ora et labora“ (Bete und arbeite) auf ihre künftige Aufgabe, den Nordwald gegenüber den Slaven zu besetzen und zu kultivieren, bestens vorbereitet und ausgestattet. Die ersten Siedlungen aber entstanden zunächst von Passau aus östlich der Ilz und blieben auch zukünftig im Passauer Besitz.  Das Hochstift Passau konnte sich  sogar  vom Herzogtum Bayern lösen und war von da an ein weitgehend selbständiger geistlicher Staat innerhalb des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Erst in Folge der Säkularisation fiel das Gebiet 1805 an Bayern.

Das Kloster Niederaltaich dehnte daher seine Rodungstätigkeit nach Norden aus und legte bis in den Lallinger Winkel 103 Höfe mit entsprechendem  Grundbesitz an. Die Ungarneinfälle  Anfang des 10. Jahrhunderts beendeten zunächst die Rodungs- und Siedlungsperiode. Die Ungarn überfielen  zwar nicht erste Höfe und Dörfer  im Nordwald, aber sie zerstörten und plünderten die Klöster an der Donau mit den dazugehörenden Höfen  und damit die Grundversorgung der neuen Siedler.  Erst nach der Jahrtausendwende wurde die Siedlungsarbeit wieder aufgenommen und es entstand eine Reihe weiterer Rodungsklöster im inneren Bayerischen Wald. Der Mönch Gunther aus Niederaltaich zog um 1011 in die einsame Wildnis um Rinchnach, errichtete hier  zunächst eine Eremitenzelle und gründete später mit Gleichgesinnten ein kleines Kloster. Erste  Rodungsflächen entstanden. 1029 übertrug Kaiser Konrad II.  einen ca. 20 000 ha umfassenden Grundbesitz an Rinchnach, der bis zum Arber reichte. In der Schenkungsurkunde werden keine Ortschaften genannt, nur Bäche, Flüsse und der Arbersee. Es kann daraus geschlossen werden, dass das Schenkungsgebiet ein reines Waldland war, das durch das Kloster erschlossen werden sollte. Als Gunther um 1040 nach Böhmen zog, fiel Rinchnach an das Mutterkloster Niederaltaich. Diese riesigen Waldungen gingen aber 200 Jahre später dem Kloster wieder verloren. Die Grafen von Bogen waren zwar kaiserliche Schutzvögte der Klöster, eigneten  sich aber nach und nach Niederaltaicher Besitz an. Als das Geschlecht der Bogener 1242 ausstarb und die Schutzvogtei an den bayerischen Herzog  fiel, dachte dieser nicht daran, den ursprünglichen, zu Unrecht erworbenen  Klosterbesitz  zurückzugeben.

In mühevoller Arbeit rangen die Siedlungsbauern dem schier undurchdringlichen Urwald einen Boden ab, der  in den höheren Lagen für eine Landwirtschaft oft wenig geeignet war. Die Bauern waren üblicherweise nicht Eigentümer ihrer Anwesen, sondern hatten nur ein von ihrem Grundherrn abhängiges Nutzungsrecht. Auf dem Rodungsgebiet Rinchnachs entstanden bedeutende Siedlungen wie Regen, Zwiesel, Kirchdorf und Kirchberg. Es dauerte aber noch an die 300 Jahre, bis die Siedlungsgrenzen der kaiserlichen Schenkung von 1029 am Rachel erreicht waren, in einem  Land  „durch Wälder schaudervoll, durch Sümpfe hässlich“,  wie Tacitus es ausdrückt,  und Maximilian Schmidt genannt Waldschmidt schwärmt von „einem wilden und menschenleeren Waldgebiet, wie es in einer solchen Großartigkeit im ganzen mittleren Europa nicht mehr wiederzufinden ist“. Am Ort March bei Regen wurde die Rodungstätigkeit zunächst beendet. Der Name „March“ bedeutet Grenze, nämlich die Grenze des Niederaltaicher bzw. Rinchnacher Rodungsgebietes. Auch hier standen dem Kloster mit seinen Bauern mittlerweile die Grafen von Bogen gegenüber, damals ein mächtiges Herrschergeschlecht in Bayern und Besitzer großer Ländereien vom Gäuboden bis zur böhmischen Grenze (Hohenbogen, Osser).  Durch gute Beziehungen zu den Böhmenherzogen erheirateten die Bogener auch weite Gebiete im Böhmerwald um das heutige Schüttenhofen bis zur Burg Rabi, die sie zur Sicherung ihrer Macht am nördlichsten Punkt ihres Herrschaftsgebietes wahrscheinlich bauen ließen. Die Grafen von Bogen bestimmten eineinhalb Jahrhunderte die Geschichte in unserem Raum mit ihren Dienstmannen und leibeigenen Bauern. Vertreter der Bogener waren ihre Ministerialen (unfreie Beamte) z. B. in Wettzell, Sackenried, Viechtach, Prackenbach, Lichtenegg, um nur einige zu nennen. Als Vögte waren sie eigentlich Beschützer der Klöster, aber sie erhoben Ansprüche auf ihren Besitz. So war das Verhältnis zwischen den Grafen und den Klöstern äußerst zerrüttet. Abt Hermann von Niederaltaich schildert Graf Albert III. als „wilden und kriegerischen Menschen, als Zerstörer der Kirchen und des Gebietes. Durch den Bau von Burgen auf dem „Hohenpogen“, durch Kämpfe und Zwangssteuern machte er die Kirche Niederaltaich und andere Kirchen arm….“

Über die Rodungsarbeit des Klosters Metten wissen wir nicht viel, sie kann aber nicht bedeutend gewesen sein. Die Rodung begann von der Donau her bis zu dem Höhenzug zwischen Hirschenstein und Vogelsang, also  bis an den ehemaligen Landkreises Viechtach. Einige Ortsnamen auf –dorf, die an der Straße von Kalteck nach Viechtach liegen, wie Schreindorf, Trautmannsdorf u. a. gehen auf die Rodungstätigkeit Mettener   Mönche zurück. Auch das Kloster Gotteszell, 1285 von Aldersbach aus gegründet, war ein Rodungskloster.

Ein regelrechtes Urkloster begegnet uns nach Pater Pfister in Pfaffmünster. Dieses Kloster drang von der Donau über Stallwang nach Cham vor. Die etwa 40 –zell-Ort, wie Konzell,  Rattiszell, Elisabethszell,  Kasparzell,  weisen alle auf die Gründung durch dieses Kloster hin. Es bestehen aber Zweifel, ob dieses Kloster überhaupt existiert hat. Unangefochten ist dagegen die Mitwirkung des Klosters Windberg an der allmählichen Erschließung des mittleren Waldes.

 


Quellen: J. Molitor in: „Bebaraha“, 900 Jahre Dorf Böbrach (2009) Dötsch Zwiesel; Pater B. Pfister: „Von der Kirche geprägt, die Geschichte des Bayerischen Waldes“ (1981), Schöner Bayerischer Wald Nr.20, 22, 23.
Bericht und Bilder : Dr. Hans Aschenbrenner, Straubinger Tagblatt 10.6.2010