Von Heimkehrern und Zuwanderern

Geschichte des Bayer. Waldes Zugriffe: 9439
 Im Bayerischen Wald ist man gewohnt, dass auf einer Waldwiese Rehe äsen oder der Fuchs auf einer Koppel nach Mäusen jagt. Im Schnee zeichnen sich die typischen Spuren des Hasen ab. In den letzten Jahrzehnten, vor allem seit Wegfall des „Eisernen Vorhangs“, tauchen in unserer Heimat aber Tiere auf, die zwar früher hier gelebt haben, aber seit 100 oder 150 Jahren als ausgestorben galten. Dazu kommen mehr oder weniger lustige Gesellen, die bei uns eigentlich nichts zu suchen haben.

Als es den „Eisernen Vorhang“ gab, waren Wildschweine im Grenzgebiet noch verhältnismäßig selten. Heute können sie in der Landwirtschaft durchaus ein Problem sein.  Damhirsche und Mufflon wanderten überwiegend über die Grenze ein, denn im Nachbarland Tschechien wurde dieses Schalenwild für die Jagd weitflächig ausgesetzt. Problematisch wird es, wenn plötzlich große Beutegreifer auftauchen, z.B. eines der interessantesten Wildtiere überhaupt: Der Wolf. Das Wolfsbild in Deutschland ist geprägt vom „Rotkäppchen“ und anderen Märchen mit dem „Bösen Wolf“. Im Bayerischen Wald leben schon lange einzelne Wölfe. Kaum einer wird gesehen, wie in fast allen Ländern Europas auch. Wir verbringen unseren Urlaub von Spanien bis Griechenland und von Skandinavien bis Osteuropa, und die dortige Bevölkerung lebt friedlich mit dem Wolf. In Sachsen gibt es in den letzten Jahren viele Nachzuchten in freier Wildbahn. Nur im Bayerischen Wald ist man gleich mit dem Gewehr zur Hand, wenn tatsächlich einmal ein Wolf gesehen wird.


Einer der ersten Grenzgänger nach Wegfall des „Eisernen Vorhangs“ war der Luchs, eine Großkatze mit Pinselohren und einem Stummelschwanz. Sein neues Streifgebiet waren zunächst die grenznahen Wälder und immer häufiger auch der Vorwaldbereich. Dieses wunderschöne, gefleckte Tier hat es aber nicht leicht. Weil es in der Woche etwa ein Reh zum Überleben braucht, gibt es leider viele menschliche Neider. Nach einem Maximum um das Jahr 1998 hält sich der Bestand seit 2002 auf einem niedrigen Niveau zu beiden Seiten der Grenze.  Die Wildkatze ist wie anderes Großraubwild bei uns vor 150 Jahren ausgestorben, jagt aber heute wieder im Regental und im Vorwald, wo seit 1984 gezüchtete Tiere freigelassen wurden. Wildkatzen mit ihrem buschigen Schwanz sind nicht verwilderte Hauskatzen, sondern eine selbständige Wildtierart. Wir können uns heute nicht mehr vorstellen, dass man die Wildkatze einst für eine gefährliche Bestie gehalten hat, die von Rehkitzen, Hasen und Auerhühnern lebt. Heute weiß man, dass Kleinsäuger wie Ratte, Maus und Eichhörnchen die Hauptbeutetiere sind. Schwer hat es bei uns der Fischotter. Nachdem er noch im letzten Jahrhundert mit Gift, Fallen und Gewehr verfolgt wurde, hat sich in den letzten Jahrzehnten im Bayerischen Wald das einzige Ottervorkommen Süddeutschlands entwickeln können. Die Hälfte davon fällt allerdings dem Straßenverkehr zum Opfer.


Eine erfreuliche Entwicklung  erfuhr im Grenzland der Schwarzstorch. Um 1900 erlosch das Brutvorkommen in Bayern. Die Trockenlegung von Feuchtgebieten war wohl die Ursache für das Verschwinden dieses Stelzvogels. Seit 1980 etwa konnte man zunächst entlang der Landesgrenze und später in ganz Ostbayern Schwarzstörche auf Wiesen und an Bächen beobachten. Dieser schöne Waldvogel bewohnt bei uns Flussniederungen und große, alte Wälder bis zur Baumgrenze. So hat man den Schwarzstorch auf dem Gr. Arber und dem Riedelstein gesehen ebenso wie in den Tälern der Ilz, des Regens, der Chamb und der Naab. Insgesamt sind 2004 in Ostbayern mit einem Schwerpunkt in der Oberpfalz über 40 Brutpaare gezählt worden.

In den letzten Jahren ist mit dem Wanderfalken auch der gewandteste Jäger und schnellste Flieger wieder als Brutvogel in den Bayerischen Wald zurückgekehrt. In geeigneten Felspartien von Kaitersberg, Falkenstein, Arber und anderswo wurden mehrmals Jungvögel aufgezogen.


All diese besprochenen Tiere wurden irgendeinmal im Bayerischen Wald ausgerottet.

Anders ist es mit den folgenden drei Arten. Sie sind aus fremden Landen, stammen aus Pelztierfarmen oder wurden eingesetzt. Zu diesen Neubürgern zählt der aus Nordamerika stemmende Waschbär. Die Kleinbären sind gegen Ende des 2. Weltkrieges aus Pelztierfarmen entwischt und haben sich allmählich über ganz Mitteleuropa ausgebreitet. Hier sollen heute mehrere Hunderttausend dieser Gesellen leben. Im Bayerischen Wald tauchen diese Tiere in Wohngebieten ebenso auf wie in abgelegenen Waldungen.

 

Seltener als der Waschbär ist noch der etwa 10 kg schwere Marderhund, eine Hundeart, deren Heimat NO-Asien ist. Vor einigen Jahrzehnten wurde er in der Ukraine ausgesetzt. Seit dieser Zeit breitet er sich erfolgreich nach Westen aus und hat Mitteleuropa erreicht.


Einen ungewöhnlichen Neubürger gibt es seit 1998 in der Oberpfalz. Aus einer Pelztierfarm bei Schwandorf sollen damals Amerikanische Nerze (Mink) von sog. „Tierschützern“ illegal freigesetzt worden sein. In den dort geeigneten Fluss- und Teichufern machten sich die schlauen und schnellen Räuber heimisch, vermehrten sich und breiteten sich hauptsächlich flussaufwärts aus. Man befürchtete  große Schäden bei seltenen Vögeln (z.B. Große Rohrdommel) und Fischen. In der Oberpfalz gab es damals viel Aufregung wegen dieser Tiere; es wurden Symposien mit Wissenschaftlern, Politikern, Jägern und Fischern abgehalten. Der Mink gehört ja nicht zu den jagdbaren Tieren, und man hat sich verständigt, dass er im Rahmen des Jagdschutzes gefangen oder erlegt werden  darf. In der Zwischenzeit ist es um diese Tierart wieder ruhiger geworden. Der Nerz hat sich zwar weiter ausgebreitet, er kommt zwischenzeitlich auch am Drachensee vor, ist aber noch nicht zu dem befürchteten großen Problem geworden.


Normal sollte man  meinen, dass sich alle Menschen freuen über  die Artenvielfalt in unseren Wäldern, Bergen und Flusstälern und über die Rückkehr  einstmals heimischer  Tiere.  Auch größere Beutegreifer sind keine Existenzbedrohung mehr wie vielleicht noch vor 150 Jahren, als der Verlust eines Kalbes oder Schafes für einen Bauern deutlich schwerwiegender war als heute. Aber weit gefehlt. Es gibt viel zu viele Einzelinteressen, und ein scheinbarer Vorteil wird dem Wert des Ganzen übergeordnet. Vor wenigen Jahren sind bei Cham, Schwandorf, Osterhofen und Waldkirchen Elche beobachtet worden, die aus dem Böhmerwald zugewandert waren. Ein Diskussion darüber, was der Elch alles anstellen könnte, hat nicht lange auf sich warten lassen, weil der Elch Laub und Weichhölzer frisst. Den Jägern mag der Elch willkommen sein obwohl er geschützt ist, viele von ihnen lehnen aber den Luchs ab, weil er Rehe reißt. Der Schwarzstorch, Kormoran und Gänsesäger lebt halt von Fischen, die bekanntlich dem Mensch auch gut schmecken, und Brieftaubenfreunde mögen den Wanderfalken nicht. Wer soll so auseinanderstrebende Interessen vereinen und die Menschen zu mehr Mut für die Wildnis bringen?


Bildbeschreibungen :

Fotos: Aschenbrenner


Bericht und Bilder : Dr. Hans Aschenbrenner, SR-Tagblatt, 11.05.2011